Vergebung ohne Schleichweg

Über etwas Schwieriges sprach Melanie Wolfers (Wien) bei einem Vortrag im Haus der Begegnung in Innsbruck. Vor 80 BegleiterInnen der %u201EExerzitien im Alltag%u201C zeigte sie Wege auf, wie es dennoch gelingen kann: Vergeben und Verzeihen.

Über etwas Schwieriges sprach Melanie Wolfers (Wien) bei einem Vortrag im Haus der Begegnung in Innsbruck. Vor 80 BegleiterInnen der „Exerzitien im Alltag“ zeigte sie Wege auf, wie es dennoch gelingen kann: Vergeben und Verzeihen. 

Walter Hölbling 

Was passiert mit mir, wenn ich jemandem etwas nachtrage? Mit einer kleinen Inszenierung stellte Wolfers am Beginn ihres Vortrags in den Raum, woran ein Mensch leidet, der nicht vergeben kann. Zwei Personen wurden durch den Raum geschickt. Der zweite hatte die Aufgabe, dem anderen zwei schwere Steine nachzutragen, wohin auch immer dieser sich wendete. Die Erkenntnis aus dieser kleinen Übung war eindeutig: Wer nachträgt, hat schwer zu tragen, seine Hände sind unfrei, er geht nicht mehr seinen eigenen Weg

Versöhnung ist eine Geduldsprobe. Den Stein wieder hinlegen, loslassen – wenn es so einfach wäre, bräuchte es keinen Vortrag dazu. „Vergebung ist ein langer Prozess, sie braucht Zeit und Geduld“, sagt Wolfers. Zwar gebe es so etwas wie eine alltägliche Versöhnungsstruktur für kleinere Verletzungen, wie zum Beispiel jene, nicht alles immer so wichtig zu nehmen und auf die goldene Waagschale zu legen. Aber wenn Verletzungen tiefer gehen, ist vielen Menschen der Weg zur Aussöhnung nicht vertraut. Schließlich verzichtet man auch auf etwas: Wer nicht vergibt, hat Munition für den Angriff, kann Macht ausüben und bekommt Mitleid – von sich und von den anderen.
Das Schattenregiment der Gefühle. Versöhnung laufe in unterschiedlichen Phasen ab, die sich auch mehrfach stellen können. Die erste Station sieht Wolfers darin, mit den eigenen Gefühlen in Kontakt zu kommen. „Wenn Gefühle verdrängt werden, führen sie ein Schattenregiment.“ Darum müsse man sich den aufsteigenden Gefühlen wie Wut, Ärger oder Zorn stellen. „Gefühle sind Alarmzeichen, dass etwas nicht stimmt“, so Wolfers. Wenn Gefühle verdrängt werden, beginnen sie, ein Schattenregiment zu führen, warnt die Buchautorin: „Es gibt keinen Schleichweg an Wut und Ärger vorbei“.
Den anderen verstehen. Ein nächster Schritt bestehe darin, Abstand zu den eigenen Gefühlen zu gewinnen und den Blick zu weiten. Dazu gehört zum Beispiel, sich in den anderen hineinzuversetzen. „Wer die Motive versteht, nach denen jemand gehandelt hat, findet leichter zur Versöhnung“, sagte Wolfers. Im Gebet könne versucht werden, den Menschen, von dem man verletzt wurde, „in das Licht Gottes zu stellen“.
Zurück an den Start. Vergeben, so Wolfers, sei eine bewusste Entscheidung, die man nicht nur einmal, sondern oft mehrmals treffen muss, „bis sich auch die Gefühle an die Entscheidung gewöhnt haben“. Denn Äger, Wut und Enttäuschung steigen immer wieder auf und müssen stets von neuem beachtet werden. Auf diesem Hintergrund deutet Wolfers den Hinweis Jesu, wie oft man vergeben soll: „Nicht sieben Mal, sondern siebenmal siebzig mal“ (Mt 18, 22).
Ein Buch als Begleiter. Wer sich mit Melanie Wolfers auf den Weg der Versöhnung machen will, findet einen guten Begleiter in ihrem jüngsten Buch. „Die Kraft des Vergebens“ beschreibt Stationen auf dem Weg zur Versöhnung und zeigt, wie die Aussöhnung zu mehr Freiheit führt und ein Gewinn für das eigene Leben ist. Das Buch ist im Herder-Verlag erschienen und kostet 15,40 Euro. 

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