Projektpartner der Sternsinger in Tirol

Im Hochland Äthiopiens haben es besonders Frauen und Mädchen schwer. Nur wenige können lesen und schreiben. Wie Bildungsprojekte das ändern können, haben Projektpartner aus Äthiopien in Tirol erzählt. Sie werden in ihrer Arbeit von der Dreikönigsakt...

Sanft wiegen sich die grünen Getreidefelder im Wind. Idyllisch und wunderschön offenbart sich die ländlich geprägte Arssi-Region im Hochland Äthiopiens auf 2750 Meter Höhe. Doch der Alltag der Bevölkerung, vor allem der Frauen und Mädchen, ist hart.

SUSANNE HUBER
Herausforderungen. Mit rund drei Millionen Einwohnern zählt die Region Arssi zu den ärmsten Gebieten Äthiopiens. Die Liste der Herausforderungen ist lang. Es mangelt an Nahrung, an medizinischer Versorgung, an sanitären Einrichtungen, an Zugang zu sauberem Trinkwasser; wegen der immer wiederkehrenden Dürreperioden und Überschwemmungen leiden die Menschen vermehrt an Hunger und Unterernährung; die Kindersterblichkeit ist hoch; der Zugang zu Bildung ist mangelhaft. Viele Frauen der Region können nicht lesen und schreiben. Das Volk der Arssi wohnt hauptsächlich in einfachen Lehmhütten und lebt vor allem von Viehhaltung und Landwirtschaft für den eigenen Bedarf. Die Arssi sind eine Untergruppe der Oromo, die die größte ethnische Volksgruppe Äthiopiens mit 90 Millionen Einwohnern bildet. Der Großteil der Oromo sind Muslime, es zählen aber auch äthiopisch-orthodoxe und protestantische Christen zu ihnen.
Lernprogramm. Unterrichtsstunde in Qarssa. „Ich möchte einmal Journalistin werden und den Menschen in Äthiopien helfen, denn ich liebe meine Heimat“, sagt Birkinesh Alemu. Selbstbewusst kommen die Worte über ihre Lippen. Es ist Wochenende und die 20-jährige Äthiopierin sitzt gemeinsam mit 50 anderen Schülerinnen in der Klasse. Ein spezielles Schul- und Lernprogramm für Mädchen und junge Frauen aus armen Familien bietet ihnen in der Stadt Qarssa die Möglichkeit, Wissen nachzuholen und einen Schulabschluss zu machen.
Leistungen steigern. In Äthiopien können nur wenige Kinder in die Schule gehen. Dazu kommt, dass die Qualität des Unterrichts an öffentlichen Bildungseinrichtungen nicht gut ist. Mädchen werden kaum zur Schule geschickt. Das vorherrschende Verhältnis mit 20 Prozent Mädchen und 80 Prozent Burschen in den Klassen soll mit dem Lernprogramm verändert werden. „In Äthiopien herrscht eine patriarchale Gesellschaft. Dem wollen wir entgegenwirken und Mädchen unterstützen, an den Wochenendkursen teilzunehmen. So können sie mit Hilfe gut qualifizierter Lehrer ihre Leistungen steigern und ihr Leben künftig zum Besseren wenden“, sagt Daniel Keftassa, Projektpartner der Dreikönigsaktion. Der Äthiopier ist Mitarbeiter einer Organisation, die das Mädchen-Schulprogramm ins Leben gerufen hat. Neben finanzieller Unterstützung werden den Schülerinnen aus weiter entfernten Gegenden auch Unterkünfte zu Verfügung gestellt.
Starker Wille zu lernen. „Bildung ist der Schlüssel gegen Armut“, so Daniel Keftassa. Für die Schülerinnen in der Klasse findet er ermutigende Worte: „Nichts ist schwierig, wenn du hart daran arbeitest“. Birkinesh Alemu sagt, sie sei glücklich und dankbar, in den Lernkursen die Möglichkeit zu haben, ihr Wissen zu erweitern. „Ich kenne das Leben der Mädchen hier. Sie werden viel zu früh verheiratet. Dagegen möchte ich in Zukunft auftreten“, so die junge Äthiopierin. Sie selbst hat sich allerdings bewusst dafür entschieden, mit 17 Jahren zu heiraten. „Ich wollte der Situation in meiner Familie entfliehen. Es gab viele Probleme zu Hause. Meine Mutter trinkt und sie hat meinen Bruder und mich bei den Schulaufgaben nicht unterstützt. In der Nacht haben meine Eltern meist lautstark gestritten. Mein Bruder hat am Morgen gelernt, ich am Abend. Wir haben uns dann immer über das Gelernte ausgetauscht und darüber diskutiert.“ Birkinesh Alemus Wille, sich weiterzubilden, ist groß. Ihr Mann, er ist Tischler und als Tagelöhner in einer Holzfabrik beschäftigt, ist ihr dabei zum Glück eine große Stütze. „Er ist stolz auf mich und wenn ich am Wochenende Unterricht habe, kocht er für mich und meinen zwei Jahre alten Sohn.“
 
Umfangreiche Förderung. Insgesamt 10.000 Menschen der Arssi-Region werden unterstützt, eine nachhaltige gemeindeorientierte Entwicklungsarbeit zu erreichen. „Die Menschen werden stark in unsere Konzepte mit einbezogen. So können sie ihre Bedürfnisse und Vorhaben eigenständig erreichen und künftig auch ohne unsere Hilfe selber erhalten“, so Daniel Keftassa. Das Programm ist umfangreich. Vermittelt werden nachhaltige Anbaumethoden und neue landwirtschaftliche Technologien zur Verbesserung der Ernährungssituation; gebaut werden Häuser, sanitäre Einrichtungen und Wasserstellen für sauberes Trinkwasser. Im Mittelpunkt der Hilfe steht aber vor allem die Förderung von Mädchen und Frauen.  
Frauenvereinigung. „Jetzt haben wir ein eigenes Büro“, freut sich Nurre Wolfaro und strahlt. Die Vorsitzende der Frauenvereinigung, die 2006 gegründet wurde und derzeit
901 Mitglieder hat, zeigt stolz das neu gebaute Haus in Anno. „Hier bilden wir uns fort, lernen voneinander unser Leben zu verbessern, erwerben Kenntnisse über unsere Rechte“, sagt die 49-jährige Mutter von zehn Kindern. Besprochen werden Themen und Probleme wie die Familienplanung; die Gewalt an Frauen; die nach wie vor praktizierte Genitalverstümmelung; die Auswanderung von jungen Äthiopierinnen in arabische Länder, die dort als Hausangestellte arbeiten und nicht selten Opfer von Menschenhandel werden; die Entführungen von Mädchen, die trotz Verbot immer wieder vorkommen.
Alphabetisierung. Begonnen hat alles vor sechs Jahren mit Alphabetisierungskursen. „Bei mir zu Hause lernten zunächst sieben Frauen lesen und schreiben. Im Laufe der Zeit haben sich mehr Frauengruppen organisiert. Sparvereine wurden gegründet, das gesparte Geld haben wir dafür verwendet, besseres Saatgut zu kaufen, um bessere Ernteerträge zu erzielen. Derzeit sparen wir für die Anschaffung einer Getreidemühle“, so Nurre Wolfaro. Durch die Frauengruppen hat sich ihr Leben massiv verändert. „Vorher kannten wir unsere Nachbarn kaum. Unsere Rolle als Frau hat sich auf das Haus, auf die Kinder, auf landwirtschaftliche Arbeiten rund ums Haus beschränkt. Jetzt treffen wir uns regelmäßig, treten an die Öffentlichkeit und machen uns durch die Sparvereine unabhängiger, weil wir mehr Geld zur Verfügung haben. Wir befreien uns von Bevormundung, Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen und stärken uns gegenseitig.“ Nurre Wolfaros Wunsch ist, noch mehr zu lernen. „Ich möchte mein Wissen in weitere Dörfer und Städte tragen und Frauen dabei helfen, sich von ihrer untergeordneten Stellung zu lösen.“
Und in Umhausen. Während ihres einwöchigen Tirol-Aufenthaltes treffen die ProjektpartnerInnen der Jungschar aus Äthiopien auch SternsingerInnen in Umhausen. Rund 50 Kinder leisten dort diesen Dienst. „Es ist sehr schön, dass die Kinder die Menschen auch mal kennenlernen, für die sie jedes Jahr von Haus zu Haus ziehen. Es schafft ein größeres Bewusstsein und stärkt die Begeisterung für die Aktion“, meint Sabine Ostermann, Dekanatsjugendleiterin in Silz und Organisatorin der Sternsingeraktion in Umhausen. 

 

Sternsingeraktion 2013
Die Sternsinger­aktion der Katholischen Jung­schar stellt 2013 Bildungs- und Straßenkinderprojekte in Äthiopien in den Mittelpunkt ihrer Sammlung. Mit den in rund 3000 Pfarren Österreichs gesammelten Spenden setzen die 85.000 SternsingerInnen ein Zeichen gegen Armut und Ausbeutung. Rund 500 Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika werden jährlich unterstützt und führen zu positiven Veränderungen für eine Million Menschen. 

TV-Tipp zur Sternsingeraktion:
„Hilfe unter gutem Stern – Ägypten im Ringen um Ver-söhnung“ am 1. Jänner 2013, 17.05 Uhr, ORF2.
www.sternsingen.at
  

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Tiroler Sonntag - Aktuell