Perspektivenwechsel in der Kirche

Zur Ermutigung für die Zukunft und zur Diskussion über Spannungsfelder trafen sich Ende vergangener Woche knapp 500 Pfarrgemeinderät/innen aus ganz Österreich mit den Bischöfen in Mariazell.

Zur Ermutigung für die Zukunft und zur Diskussion über Spannungsfelder trafen sich Ende vergangener Woche knapp 500 Pfarrgemeinderät/innen aus ganz Österreich mit den Bischöfen in Mariazell. Klar wurde dabei: Die Laien werden in der Kirche künftig mehr Verantwortung übernehmen. 

von Heinz Niederleitner 

Ob „Rückenwind aus Rom“, einem Zitat aus „Evangelii Gaudium“ oder die Aufforderung an Bischöfe und Priester, den Bischof von Rom mehr ins Herz zu lassen: Papst Franziskus war im Munde vieler Delegierter, die sich beim zweiten Pfarrgemeinderäte-Kongress in Mariazell stellvertretend für die rund 30.000 Pfarrgemeinderät/innen Österreichs trafen. Dabei nahmen die Delegierten die Herausforderungen in den Blick, denen sich die Kirche jetzt und verschärft in den kommenden Jahren stellen muss: vom Rückgang der Katholikenzahlen über den sich stetig zuspitzenden Priestermangel bis zu der Frage, was Christ-Sein künftig bedeuten wird.
Nicht warten. „Ich möchte mit meinem Christ-Sein nicht auf einen neuen Pfarrer, einen neuen Bischof oder die perfekte Kirche warten müssen. Diese Zeit ist unsere Zeit“, sagte der Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer in seinem Vortrag. „Nutzen wir den gegenwärtigen Rückenwind aus Rom.“ Die Kirche der Zukunft werden kleiner, bunter und weniger klerikal, aber auch jesuanischer und urchristlicher sein. Bauer verwies auf Schätzungen, wonach die Katholiken in rund 20 Jahren die 50 Prozent-Marke in der Bevölkerung unterschreiten. Daran könne weder eine Pfarrer-Initiative von unten noch eine Neuevangelisierung von oben etwas ändern. Eine Minderheitenkirche ist aber laut Bauer „eine echte Chance für das Evangelium“. Denn es gebe dabei die „wunderbare Freiheit der Kinder Gottes“ zu gewinnen.
An die Ränder. Gleichzeitig sah der Theologe Verbesserungsbedarf, um zu einer konzils-
gemäßeren Kirche zu werden. Man habe sich bisher stark um den Innenbau der Kirche gekümmert, sei eine „Komm her“-Kirche und noch zu wenig eine „Geh hin“-Kirche, die sich auch an die Ränder wagt. Es brauche Wege zu denen hinaus, die nicht zur Kirche kommen. „Der Ruf Gottes kann uns überall erreichen, an den Orten des alltäglichen Lebens“, betonte Bauer die Eigenverantwortung der Christ/innen in der Verkündigung.
Schwester Theresa Schlackl aus dem Generalat der Salvatorianerinnen berichtete von Reformen im Orden: „Wir haben erkannt, dass wir mit Veränderungen nicht warten können, bis die Letzte von uns einverstanden ist. Wir haben aber versucht, möglichst alle mitzunehmen. Es müssen nicht alle alle Schritte tun. Aber alle müssen Bescheid wissen.“
Offenes Mikrofon. Mehrmals beim Kongress nutzten die Pfarrgemeinderäte/innen die Möglichkeit, den Kollegen und den fast vollzählig anwesenden österreichischen Bischöfen, die auch zum Kongress geladen hatten, ihre Ansichten mitzuteilen. Die Bischöfe sollten mutig vorangehen, forderte eine Delegierte. Der Wunsch nach einem Zugang von Frauen zu (Weihe-)Ämtern der Kirche wurde (von Frauen und Männern) ebenso zur Sprache gebracht wie zum Beispiel jener nach einem kirchlichen Wiedereinsatz von Priestern, die geheiratet haben. Thematisiert wurden unter anderem auch die von Laien geleiteten Wortgottesdienste an Sonntagen.
Darüber diskutierten auch Teilnehmer in einem der fast 60 Workshops am Kongress, in denen die Delegierten Einblick in pfarrliches Leben und Aufbrüche in ganz Österreich nehmen konnten. Eucharistische Anbetungsfeiern mit Jugendlichen unter dem Titel „Date mit Jesus“ wurden ebenso vorgestellt wie zum Beispiel karitative Projekte, Ehrenamtliche in der Pfarrleitung oder ökumenische Gespräche. Der in der Bischofskonferenz für die Pfarrgemeinderäte zuständige Bischof Alois Schwarz lobte die „kreativen Ansätze“.
Ein Segen auch für die Bischöfe. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn, äußerte bereits seine Ideen für den „nächsten Pfarrgemeinderätekongress“: Es müssten dann auch Katholiken mit Migrationshintergrund deutlich vertreten sein. „Sie gehören zur Kirche Österreichs“, sagte der Kardinal, der dazu aufrief, die Situation der Kirche hierzulande anzunehmen und bei allen Problemen eine positive Haltung zur Welt, in der wir leben, zu haben.
In gewisser Weise prägte Papst Franziskus auch den Schluss des Pfarrgemeinderäte-Kongresses: Er hatte ja nach seiner Wahl im Konklave die Menschen am Petersplatz um ihren Segen gebeten, bevor er sie segnete. Bei der Sendungsfeier am Pfarrgemeinderäte-Kongress segneten nicht nur die Bischöfe die Delegierten, sondern diese sprachen auch ein Segensgebet für die Bischöfe. 

Hebammenkunst. „Ich bin kein Prophet“, sagte der Innsbrucker Theologe Roman Siebenrock vor den Pfarrgemeinderäten. Sein Vortrag hatte dann aber doch prophetische Züge: „Wir erleben die Geburtswehen einer neuen Kirche“, deutete Siebenrock die aktuellen Krisenerscheinungen. „Wir erleben auch, dass Gott uns ernst nimmt.“ Und als „Hebammen“ sollten sich die Christinnen und Christen selbst in den Prozess mit hineinnehmen, der ihnen auch mehr Verantwortung für die Kirche anvertraut. Mit Verweis auf den Apostel Paulus rief Siebenrock die Anwesenden auf, als Gemeinden wieder „ein Brief Christi“ zu sein, der in der heutigen Welt lesbar ist. Mystik sei das „Spüren Gottes im Alltag“. In diesem Sinne seien die Pfarrgemeinderäte „das mystisch-politische Herz der Kirche“
Freier Glaube. Da die Verquickung der Kirche mit Staat und Macht zu Ende gehe, werde der Glaube freier sein, sagte Siebenrock. Er erinnerte an das Mariazeller Manifest aus dem Jahr 1952, welches eine „freie Kirche in einer freien Gesellschaft“ als Ziel beschrieben hatte. Die Kirche, so das Manifest, solle ein „Hort wahrer Freiheit“ sein. Allerdings betonte Siebenrock mit Blick auf die privaten „Eucharistiefeiern“ des Ehepaares Heizer, dass es auch Grenzen gebe.
Die Kirche werde kleiner, aber auch pluralistischer, sagte der Theologe. In der Art, wie die Kirche mit dieser Pluralität umgeht, könne sie auch der Gesellschaft ein Beispiel geben. Niemand wisse, wie das Land in 100 Jahren aussehe. Christen sollten die Großzügigkeit haben, mehr in die Gesellschaft hineinzutragen, als sie zu empfangen erwarten können.
  

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