Mit einem Rucksack voll Anliegen

Fast rund um die Uhr beten die Schwestern des Ordens der Ewigen Anbetung des Allerheiligsten Sakraments um göttlichen Beistand für Anliegen ihrer Mitmenschen. Ihre Klosterkirche im Herzen Innsbrucks weist als Ort kraftvoller Stille Ratsuchenden den W...

Fast rund um die Uhr beten die Schwestern des Ordens der Ewigen Anbetung des Allerheiligsten Sakraments um göttlichen Beistand für Anliegen ihrer Mitmenschen. Ihre Klosterkirche im Herzen Innsbrucks weist als Ort kraftvoller Stille Ratsuchenden den Weg zum Geheimnis des Ewigen. 

 

von Robert Tatschl 

 

Die Monstranz auf einem kleinen Thron über dem Hochaltar der Innsbrucker Anbetungskirche leuchtet im milden Kerzenlicht. Die Schatten sind lang geworden im Kirchenschiff. Letzte  Sonnenstrahlen weichen einer lauen Spätsommernacht. Die Beter haben die erholsame Stille der Kirche heute bereits verlassen, sind eingetaucht in das pulsierende Stadtleben. Das Allerheiligste bleibt trotzdem nie alleine. Unmittelbar hinter ihm dringt gedämpftes Licht aus der Anbetungskapelle durch ein kleines, ovales Fenster in das nun dunkle Kirchenschiff. Das zarte Leuchten zeigt an, dass dort gerade mindestens eine der Schwestern vor dem Allerheiligsten betet. Diese Kapelle ist ein Ort der Stille und Teil der Klausur, jenes Bereichs im Kloster, den im Normalfall nur Ordensfrauen betreten dürfen. „Die eucharistische Anbetung ist eine Fortsetzung der heiligen Messe“, erklärt Schwester Maria Antonieta. „Zuerst gilt es ganz still zu werden, Gottes Liebe zu spüren und ihm zu sagen: ,Ich bin da.‘“

Alle Sorgen finden Gehör. In manchen Nächten in der Kapelle wird der Schwester bewusst: Wahrscheinlich ist sie gerade die Einzige von Innsbrucks gut 120.000 Einwohner, die vor dem Allerheiligsten kniet und ihm nahe ist. „Vielleicht bin ich dessen gar nicht würdig“,
meint Maria Antonieta bescheiden. Jedenfalls danke sie während der Anbetung für alles Gute, das Gott schenke, für den ruhigen Schlaf der Familien, die Schönheit der Natur, Sterne, Mond, und dafür, dass kein Unglück geschehe. „Nachts bin ich alleine mit dem Herrn, mit der Ewigkeit. Wie ich das erlebe, hängt auch davon ab, welches Anliegen ich an diesem speziellen Tag vor Gott trage.“
Täglich nach dem Frühstück informiert die Oberin des Klosters ihre Mitschwestern über neue Anrufe, Briefe, E-Mails mit Gebetsbitten der Menschen draußen in der Welt. Oft geht es um schwere Probleme wie Abwendung von Abtreibungen oder Scheidungen. Jede Schwester hat sich auf bestimmte Anliegen spezialisiert und trägt ihren unsichtbaren Sorgenrucksack in den Anbetungsstunden vor Gott und bittet ihn um Beistand. So betet Schwester Maria Regina besonders für Menschen, die nachts arbeiten, wie Polizist/innen, medizinisches Personal, Feuerwehrleute, Wachdienste. Andere Schwestern beten für die Einheit der Familien, alle für Papst und Priester.
Gott ganz nah sein. Schwester Maria Antonieta betet besonders für Menschen in Kriegsgebieten und Krisenherden, aber auch für Personen, die keinen Sinn im Leben finden. Zunehmend Jugendliche seien davon betroffen. „Sie sollen die Liebe Gottes erfahren dürfen, damit sie erkennen, dass man auch schwere Gewitter des Lebens überstehen kann“, hofft die Ordensfrau. Maria Antonieta stammt aus Chile, hat Biologie an der Universität von Concepción studiert und dort als Magistra der Ökologie und Botanik unterrichtet. „Anfangs wollte ich gar nicht Nonne werden. Meine Berufung war ein Kampf, den Gott gewonnen hat“, lächelt die heute 52-Jährige. Vor rund 20 Jahren entscheidet sie sich für den Eintritt in den Orden der Ewigen Anbetung. Dessen Charisma „Gott ganz nah sein“ war längst ihr eigener Lebenswunsch geworden. Seit Frühjahr 2009 lebt Maria Antonieta im Innsbrucker Kloster. „Die Berufung in einen kontemplativen Orden ähnelt der Heirat. Auch Ehepartner wollen einander stets ganz nahe sein“, schmunzelt die Schwester.
Ewigkeit ist zeitlos. „Für Christen beginnen Ewigkeit und ewiges Leben nicht erst nach dem Tod, sondern mit dem Empfang der Taufe“, erklärt Schwester Maria Antonieta. Ewigkeit geschehe in der Beziehung zu Gott, wie sie auch bei der Anbetung des Allerheiligsten entstehe. In ihm sei Jesus als wahrer Mensch und wahrer Gott im Brot anwesend. „Anbeten heißt Gott erkennen und ihn lieben. Das ist letztlich die Berufung aller. Im Himmel werden wir nichts anderes tun“, sagt die Ordensfrau. „Wir vom Orden fangen halt schon hier und jetzt damit an.“ Auch bei den Schwestern gibt es Tage, an denen „das Feuer der Begeisterung etwas ruhiger brennt“. Dann müsse man sich für die Anbetung stärker motivieren. Hilfreich seien von der Ordensgründerin empfohlene Gebetsthemen wie danken, Gottes Gegenwart suchen, um Verzeihung bitten. Gläubigen außerhalb der Klostermauern rät die Schwester zum würdigen Kommunionempfang. „Jeder Christ kann in der Kommunion die Ewigkeit finden, gemäß den Wandlungsworten ‚Wer mein Brot isst, wird ewig leben.‘ Dabei werden Gott und Mensch eins. Anfang, Ende, die Zeit, sie verschwinden, da Ewigkeit zeitlos ist.“ Beten und Alltag gehören aber zusammen, meint Sr. Maria Antonieta: „Dann ist das Leben fruchtbar, die Spiritualität geerdet.“ Bis etwa 1970 haben eigene „Chorschwestern“ im Innsbrucker Anbetungskloster täglich 24 Stunden vor dem Allerheiligsten gebetet. Derzeit verrichten neun Schwestern und eine Novizin jeden Donnerstag Nachtanbetung, tagsüber wechseln sie sich regelmäßig ab. An jedem Herz-Jesu-Freitag lädt das Kloster zur Teilnahme an der Abend-
anbetung (bis 22 Uhr) in die Klosterkirche ein. 

anbetung.jpg
Mit einem Rucksack voll Anliegen