INTERVIEW: Den Juden Jesus kennenlernen

Am 2. Februar findet im Haus der Begegnung der 7. diözesane Bibeltag zum Thema %u201EJesus der Jude%u201C statt. Im Interview mit dem Tiroler Sonntag erklärt der Referent Prof. Dr. Gerhard Langer, was ihn an dieser Frage bewegt.

Am 2. Februar findet im Haus der Begegnung der 7. diözesane Bibeltag zum Thema „Jesus der Jude“ statt. Im Interview mit dem Tiroler Sonntag erklärt der Referent Univ.-Prof. Dr. Gerhard Langer, was ihn an dieser Frage bewegt. 

 

Tiroler Sonntag: Woher rührt Ihr Interesse für das Judentum?
Es ist schon seit Kindestagen da und verstärkte sich im Laufe des Studiums, das ich in Wien als Ergänzung zum Theologiestudium gewählt habe. Am Judentum hat mich fasziniert, dass es über Jahrhunderte existieren konnte, weil es seine starke eigene Identität stets weiterentwickelte und bereit war, sich geänderten Umständen anzupassen, diese nicht nur zu beklagen oder bei Bedrohung aufzugeben, sondern Herausforderungen aktiv zu begegnen. 

Jesus war Jude. Ist ein Grundwissen über das Judentum Voraussetzung, um Jesus zu verstehen?
Ja, unbedingt. Jesus ist, wie man so schön sagt, Jude seiner Zeit und nur als solcher verstehbar in seiner Botschaft. Darüber hinaus lohnt aber auch die weitere Beschäftigung mit dem späteren Judentum, weil es als Erstadressat der Offenbarung Gottes die Bibel Jesu weiter interpretiert und nicht nur bewahrt hat. Die Begegnung von Judentum und Christentum ist ein zentraler Bestandteil europäischer Identität. Beide haben voneinander gelernt und sich weiterentwickelt. Die Rolle des Christentums war dabei nicht selten die einer autoritären Macht, die Judentum kontrollieren und in feste Grenzen zwängen wollte. Verfolgungen, Pogrome waren auch Teil dieser Geschichte, aus der wir inzwischen intensiv lernen. 

Auch die ersten Aposteln waren Juden. Was bedeutet das jüdische Erbe für den Glauben der Christen?
Jüdische Kultur ist mehr als Glaube. Christen können von Jüdinnen und Juden in religiöser Hinsicht eine facettenreiche und vielfältige Lebenswelt kennen lernen. Sie können auch eine im positiven Sinne gemeinte „Streitkultur“ lernen, eine große Bildungskultur, eine tiefe Frömmigkeit, eine Kultur, die Körper und Geist in den Dienst Gottes stellt, die den Alltag heiligt. Judentum hat strenge Regeln entwickelt im Umgang mit den Mitmenschen und mit Gott, wobei die Würde des Geschöpfes im Mittelpunkt steht, das Abbild Gottes ist. Die Vielfalt des Judentums ist bei der relativ überschaubaren Größe faszinierend und zeugt von Lebendigkeit. 

Beim „Bibeltag der Diözese Innsbruck“ sprechen Sie über die Bergpredigt aus jüdischer Sicht. Hat diese für Juden eine besondere Bedeutung?
Für Juden nicht direkt, da zwar viele Menschen jüdischen Glaubens durchaus die Bergpredigt anregend finden, aber in der Tradition hat das Neue Testament nur indirekt Wirkung. Heute entdeckt man es als wissenschaftliche Quelle des Judentums. Für Christen ist die Bergpredigt aber zentraler Ausdruck der Botschaft Jesu und direkter Draht zu seinem Judentum. Im Vergleich mit zum Teil jüngeren jüdischen Texten soll auch gezeigt werden, wie die Inhalte sich auch in jüdischer Tradition finden. Dazu sollen einzelne Textbeispiele in Gruppenarbeit dienen. 

Der Völkermord an den Juden führt auch dazu, dass Wege der Begegnung für immer zunichte gemacht sind. Wie gegenwärtig ist diese historische Last bei der Vermittlung des Gesprächs von Christen und Juden?
Die Schoah hat die Augen auch für viele Christinnen und Christen geöffnet. Im katholischen Kontext war es das Zweite Vatikanische Konzil, wodurch Umdenken entstand. Wir sollten aber die Beschäftigung mit dem Judentum loslösen von der Schoah, auch wenn dies nur schwer möglich ist, da sie Europa nachhaltig geprägt hat. Judentum gab es vorher und gibt es Gott sei Dank nachher. Man sollte Hitler keinen Sieg zugestehen, indem wir all unser Denken auf sein „Werk“ ausrichten. Nicht nur weil wir Schuld aufarbeiten und begangene Verbrechen aufarbeiten wollen und sollen. Sondern vor allem weil wir in einem seit der Bibel untrennbaren Band verbunden sind, sollten wir uns mit dem Judentum auseinandersetzen. 

Univ.-Prof. Dr. Gerhard Langer ist Vorstand des Instituts für Judaistik an der Universität Wien.

 

7. Bibeltag der Diözese
„Jesus der Jude. Die Bergpredigt aus jüdischer Sicht“, lautet das Thema des 7. diözesanen
Bibeltages mit Univ.-Prof. Dr. Gerhard Langer am 2. Februar von 10 bis 17 Uhr im Haus der Begegnung in Innsbruck.
Anmeldung: bis 25. Jänner bei Pfarrer Dr. Franz Troyer, Tel. 0676/ 8730 7051 (auch SMS) sowie per Mail: bibelpastoral@dibk.at
Die Bergpredigt ist ein dicht gedrängtes Zeugnis des Denkens Jesu. Univ.-Prof. Gerhard Langer gehört in Österreich zu den besten Kennern des Judentums. Er wird die Botschaft im Licht der jüdischen Tradition deuten und lesen helfen. 

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