Hirtenwort zum Notburgajubiläum

Aus Anlass des Gedenkjahres zum 700. Todestag der hl. Notburga hat Bischof Manfred Scheuer ein Hirtenwort verfasst, das hier im Wortlaut zu lesen ist.

700 Jahren hl. Notburga 

Hirtenwort von Bischof Manfred Scheuer zum Gedenkjahr der Tiroler Volksheiligen

Notburga wurde um das Jahr 1265 als Tochter eines Hutmachers in Rattenberg geboren. Mit 18 Jahren kam sie auf die Rottenburg zu Graf Heinrich I., Hofmeister von Tirol. Notburga war beim Grafen, bei dessen Frau Gutta und beim Gesinde sehr beliebt. Sie wurde Chefköchin und Türbeschließerin in der Burg. Was bei Tisch übrig blieb bzw. „was sie sich vom Mund absparte“ (Hobelspanwunder), verteilte sie an die Armen. Nach dem Tod des Grafenpaares und der Heirat des jungen Grafen Heinrich mit der hartherzigen und geizigen Ottilie verwies diese ihre Dienstmagd von der Burg. Notburga kam in den Dienst beim Spießenbauern in Eben, wo sie sich für den Feierabend und die Sonntagsruhe einsetzte (Sichelwunder). Sie gewährte der sterbenden Gräfin Ottilie Versöhnung und kam auf Bitten Graf Heinrichs zurück auf die Rottenburg. Mit Notburga kehrte wieder Frieden ein, die Armen bekamen ihren Platz und ihr Brot. Ihr gelang auch die Versöhnung zwischen Graf Heinrich und seinem Bruder, Graf Seifried. Im Jahr 1313 starb Notburga auf der Rottenburg. Ihrer Bitte entsprechend legte man ihren Leichnam auf einen Wagen. Zwei Ochsen zogen ihn durch den Inn (Innwunder) und hinauf nach Eben. Dort wurde Notburga in der Rupertikirche beigesetzt. Ihr Gedenktag ist der 13. September. Sie ist Patronin der Bauern, Mägde und Armen. Ihre Attribute sind Schlüssel, Kanne, Ähren, Sichel und Brot. Zu den meistgefeierten, in Prozessionen, Volksschauspielen und Liedern verehrten Volksheiligen Tirols zählt die hl. Notburga. Sie ist eine Heilige der kleinen Leute, eine Heilige des Alltags. Sie ahmte in besonderer Weise das verborgene Leben Jesu mit der alltäglichen Arbeit in Nazaret nach. Durch ihre Mildtätigkeit gegenüber Armen und Kranken gehört sie zu den großen Gestalten christlicher Nächstenliebe. Der Maßstab, an dem der Mensch in Gottes Gericht gemessen wird, ist seine Gottes- und Nächstenliebe. Schließlich wird Notburga gegenwärtig immer mehr zur „Fürsprecherin für den Sonntag“.

 

Heiligung des Alltags. 

Es gibt einen Verlust an religiöser Sinnlichkeit in unserer Lebenswelt. Die Alltagswelt der meisten Menschen war geprägt von einer Fülle von sinnlich religiösen Symbolen und Zeichen. Im sinnlich unmittelbaren Erleben hatte Glaube und Gebet einen selbstverständlichen Ort. Das betraf auch die zeitliche Ordnung: Es gab durch Gebet geprägte Tageszeiten (Angelus), geprägte Wochenzeiten (Sonntag) und geprägte Jahreszeiten (Feste). Kirche und Kultur gehörten zusammen. Glaube und Frömmigkeit waren Teil der gemeinsamen Tradition, ein allgemein akzeptierter Lebensentwurf. Heute verhüllen das Alltagsbewusstsein und die Alltagspraxis großteils Glaube und Frömmigkeit, sie sind nicht mehr deren Träger. Das gilt auch für das Leben von Christen. Große Bereiche der Wirklichkeit werden gelebt, „als ob“ es Gott nicht gäbe. Die Lebenswelt ist dem Gebet fremd geworden. Religion gehört nicht mehr zum Sinngefüge, zur Heimat. Die Umgebung schenkt in der Norm keinen Halt, keinen Boden für das Gebet. Heiligung des Alltags mit Notburga kann für die Kirche heißen, dass sie ihre geprägten Räume und Zeiten, besonders das Kirchenjahr und den Sonntag öffentlich im Bewusstsein halten. Sicher: Wenn der Glaube nur Brauch oder nur äußere Gewohnheit bleibt, dann würde er bald oberflächlich, leer und somit auch unglaubwürdig. So brauchen wir eine neue Intensität und Tiefe des Glaubenslebens.

 

Burg in der Not. 

Die heilige Notburga zeigt uns die Liebe Gottes zu den Not leidenden Menschen. Notburga ist ja den Verehrern das, wofür dieser Name auch steht: eine Burg in der Not. Was bei Tisch übrig blieb bzw. „was sie sich vom Mund absparte“, verteilte sie an die Armen. Mit Notburga kehrte Frieden ein, die Armen bekamen ihren Platz und ihr Brot. Ihr gelang die Versöhnung zwischen den verfeindeten Grafen auf der Burg und der herzlosen Gräfin konnte sie vergeben und verzeihen. Sie war Brückenbauerin zwischen Arm und Reich, Hoch und Nieder, Verfeindeten und Zerstrittenen. Der Psalmist betet: „Herr ich suche Zuflucht bei dir … Sei mir ein schützender Fels, eine feste Burg, die mich rettet.“ (Ps 31,2f) Von Christus auserwählt hat Notburga in ihrer Zeit und in ihrer Umgebung die göttliche Zuwendung zu uns Menschen sichtbar machen können. Sie ist für uns Fürsprecherin, Helferin und Vorbild. Die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe (Mt 22,34 - 40) wird realisiert in leiblichen und geistigen Werken der Barmherzigkeit, in Caritas und Diakonie, in kirchlicher Sozial- und Entwicklungsarbeit, in Kollekten und Hilfsmaßnahmen, in Solidaritätsaktionen, durch Güterausgleich oder in Selbsthilfegruppen, im prophetisch kritischen Einsatz für Menschenwürde, durch Freiheit und Gerechtigkeit auf nationaler und internationaler Ebene. In Tirol hat die Solidarität eine starke Tradition.

 

Heiligung des Sonntags. 

Notburga, die Patronin der Bauern und die einzige offizielle Heilige Tirols, bekommt eines Samstags vom Bauern den Befehl, trotz des Betläutens weiterzuarbeiten, bis die Ernte unter Dach ist. Da wirft sie die Sichel in die Luft und sie bleibt in der Luft. Was könnte das meinen? Vielleicht soviel: Lass dich nicht von den Notwendigkeiten des Lebens, den berühmten Sachzwängen, daran hindern, dein Innenleben zu pflegen und dich nach Gott auszustrecken. Notburga setzt mit dieser Sichel ein Signal, das uns heute auch betrifft, vielleicht heute erst recht: Leistung ist schon recht und wichtig, aber allgegenwärtiger Leistungsstress ist nicht notwendig. Ohne den Herrn und ohne den Tag, der ihm gehört, gelingt das Leben nicht. Der Sonntag hat sich in unseren westlichen Gesellschaften gewandelt zum Wochenende, zur freien Zeit.

Die freie Zeit ist gerade in der Hetze der modernen Welt etwas Schönes und Notwendiges; jeder von uns weiß das. Aber wenn die freie Zeit nicht eine innere Mitte hat, von der Orientierung fürs Ganze ausgeht, dann wird sie schließlich zur leeren Zeit, die uns nicht stärkt und nicht aufhilft. Die freie Zeit braucht eine Mitte – die Begegnung mit dem, der unser Ursprung und unser Ziel ist. Die heilige Notburga kann uns wieder daran erinnern, dass Gott ein ganz großes Interesse hat an den „Unterbrechungen unseres Alltags“, in denen wir zur Ruhe kommen, um Vergangenes und Zukünftiges in den Blick zu nehmen. Auf der Wegstrecke unseres Lebens brauchen wir immer wieder eine Rast und ein wenig Zeit zum Verweilen, zum Beten, zum Aufatmen und zum Danken. Eine Zeit, wo wir es uns leisten können, einmal nichts tun zu müssen. Wo wir immer wieder neu entdecken, wie viel Weisheit und wie viel Entlastung auch das alte Sprichwort in sich birgt: „An Gottes Segen ist alles gelegen.“

 

Notburga heute begegnen. 

Ich danke allen herzlich, die das Gedenkjahr „700 Jahre Hl. Notburga“ vorbereitet und gestaltet haben. Allen voran Kaplan Ludwig Penz, der schon vor zwei Jahren ganz auf das Notburga-Jubiläum hin gelebt hat. Ich lade ein, zu den Orten der hl. Notburga zu pilgern und die vielen Möglichkeiten zu nutzen, Notburga heute zu begegnen. Mögen Maria, die Mutter unseres Herrn, und die hl. Notburga weiterhin ihre schützenden Hände über unser Land halten.

Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck

 

 

Veranstaltungen zum Notburgajahr: 

Sonntag, 8. September, 10 Uhr: Gottesdienst mit Bischof Manfred Scheuer auf der Rottenburg. Anschließend Agape.

Freitag, 13. September, 14 Uhr: Eröffnung der Ausstellung „Notburga 13“ im Alten Widum in Eben. Um 17.30 Uhr Prozession über den Notburgaweg zur Pfarrkirche in Maurach, um 19 Uhr Gottesdienst und anschließend Präsentation der Notburga-Säule und des Notburga-Kelches.

Sonntag, 15. September, 10 Uhr: Festgottesdienst und Aufnahme in die Notburga-Gemeinschaft mit Bischof Manfred Scheuer in der Pfarrkirche Eben. Um 14 Uhr Söllerpredigt vom Balkon des Mesnerhauses und Prozession mit Bischof Dr. Ivo Muser (Diözese Bozen-Brixen). Anschließend Konzert der Musikkapelle Eben.

Freitag, 11. Oktober, 19 Uhr: Konzert zu Ehren der Hl. Notburga in der Pfarrkirche Achenkirch.

Notburgazyklus von Jutta K. Kiechl im Alten Widum Eben: Öffnungszeiten Mittwoch bis Freitag, 9 bis 11 Uhr. Mittwoch, Freitag, Sonntag: 16 bis 18 Uhr.

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Tiroler Sonntag - Aktuell