Gedenkfeier für vertriebene Deferegger Protestanten

Im Defereggental wurde vor kurzem der Vertreibung der Protestanten im 17. Jahrhundert gedacht. Ein Bericht von MARIA RADZIWON.

„Wie weit würden wir für unseren Glauben einstehen?“ Dieser Frage spürte Superintendent Manfred Sauer bei der Gedenkveranstaltung zur Enthüllung des Versöhnungsdenkmals am Brugger Kirchl in St. Veit im Defereggental nach. Es ist ein kalter, verregneter und von dichten Nebelschwaden durchzogener Nachmittag, an dem sich zahlreiche Bewohner des Defereggentals, aber auch katholische und evangelische Interessierte zusammengefunden haben. Das düstere Wetter passt zu den Geschehnissen des 17. Jahrhunderts, die der Historiker Michael Huber in seinem Vortrag schildert: Es war eine Zeit, die von harter Arbeit und viel Armut geprägt war und es war damals üblich, dass der Herrscher eines Gebiets die Religion seiner Bevölkerung bestimmte, so auch im Defereggental, das unter katholischer Herrschaft stand und in dem somit mehr als 600 Talbewohner auf Grund ihrer evangelischer Konfession unerwünscht waren.  Es war aber auch die Zeit des westfählischen Friedens, einem Vertrag, der den 30 jährigen Krieg beendete und in seiner Grundaussage Frieden zwischen allen verhandelnden Parteien schließen sollte und gerade in Konfessionsfragen Regelungen beinhaltete: „Der westfählische Friede sah vor, dass Menschen zwar ihrer Heimat auf Grund ihres Bekenntnisses verwiesen werden durften, aber er sah auch vor, dass ihnen für die Regelung ihrer Angelegenheiten 3 bis 5 Jahre Zeit gegeben wurden. Im Defereggental mussten die Protestanten aber innerhalb von nur wenigen Wochen die Heimat verlassen. Das war eindeutig ein Bruch mit dem westfählischen Frieden. Genauso wie die Tatsache, dass sie ihre Kinder bis zum Alter von 15 Jahren zurücklassen mussten und sich außerdem mitten im Winter vertrieben wurden.“

Trotz allem hielten die evangelischen Talbewohner an ihrer Überzeugung fest und machten sich mitten im Winter zu Fuß über die Berge auf den Weg und suchten in Süddeutschland eine neue Bleibe. Viele von ihnen versuchten in den folgenden Jahren ihre Kinder über die Bergpässe aus dem Defereggental zu ihren Familien zurück zu holen bzw. zu entführen, obgleich harte Strafen für jene drohten, die dabei entdeckt wurden (die Männer wurden beispielsweise als Galeerensklaven verkauft).

Die Gedenktafel an der Außenseite des Brugger Kirchls erinnert an diese Geschehnisse und wurde 2002 im Sinne der Vergebungsbitte Papst Johannes Paul II. enthüllt und führte zu einer offiziellen Versöhnung zwischen evangelischer und katholischer Kirche. 10 Jahre später wurde nun erneut der erschreckenden Ereignisse vor etwa 300 Jahren gedacht und besonderes Augenmerk auf die Versöhnungsfeier gelegt, in der Bischof Manfred Scheuer auf die Schuld der katholische Kirche bei jenen Geschehnissen, aber auch dankbar auf die aktuellen Zeichen der Ökumene, die das Verbindende vor das Trennende stellte, hinwies. Festlich umrahmt wurde die Feier von Oberkärntner Blechbläsern, sowie vom Posaunenspiel zum gemeinsamen gesungenen Lied aus dem Jahr 1685 „Ich bin ein armer Exulant“.

Als Vertreter der evangelischen Kirche kamen der Superintendent von Kärnten und Osttirol Manfred Sauer und der Lienzer Pfarrer Hans Hecht nach St. Veit. Sie zelebrierten gemeinsam mit dem Tiroler Diözesanbischof Manfred Scheuer, dem Matreier Dekan Reinhold Pitterle und dem St. Veiter Pfarrer Stefan Bodner einen ökumenischen Gottesdienst als Versöhnungsfeier und Gedenken an das damalige Unrecht. Im Anschluss daran lud der St. Veiter Bürgermeister Vitus Monitzer zu einer gemeinsamen Agape.

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