Gedanken zur Fastenzeit

Lasst euch mit Gott versöhnen - Gedanken zur beginnenden Fastenzeit von Jesuitenpater Friedrich Prassl.

Ich habe in diesen Tagen vor dem Aschermittwoch ein buntes Aschenkreuz der Versöhnung gemalt. Auf dem Hintergrund grauer Asche, aus den Palmzweigen des vergangenen Osterfests gewonnen, entstand aus bunten Strichen von Ölkreiden ein farbenfrohes Kreuz. Die bunten Striche sind Zeichen für viele Formen der Umkehr, der Vergebung, des Neuanfangs, des Vertrauens, der Achtsamkeit, der Hoffnung, der Liebe, der Demut. Versöhnung und Buße, auf diese Weise verstanden, kann sehr bunt sein.
  

Im Gebet vor der Austeilung der Asche heißt es:
„Barmherziger Gott, du bist den Demütigen nahe und lässt dich durch Buße versöhnen. Neige dein Ohr unseren Bitten und segne alle, die gekommen sind um das Aschenkreuz zu empfangen. Hilf uns, die vierzig Tage der Buße in rechter Gesinnung zu begehen, damit wir das heilige Osterfest mit geläutertem Herzen feiern.“ 

Diese Versöhnung mit Gott hat zu tun mit meiner Versöhnung mit mir selbst und mit den Menschen neben mir. Versöhnung mit Gott meint mich ganz persönlich mit meinem ganzen Leben vor Gott. So darf ich mich mit den Worten des Paulus konkret herausfordern lassen: „Lass Dich versöhnen mit Gott!“ (2 Kor 5,20)
Weil ich mit mir selbst oft nicht versöhnt bin, kann ich auch mit anderen nicht versöhnt leben. Ich möchte manchmal gerne anders sein, größer, beliebter, reicher, erfolgreicher, frömmer als andere. Ich vergleiche mich oft mit anderen, urteile und verurteile, bin unzufrieden mit meiner Situation. Wenn ich unzufrieden bin mit mir selbst, kann ich auch nicht zufrieden sein mit anderen Menschen. Wenn ich mich nicht über mich selbst freuen kann, dann kann ich mich auch nicht über andere und mit anderen freuen. 

Versöhnung heißt: mich selbst so anzunehmen, wie ich bin, wie ich hoffe, dass Gott mich annimmt, mit meinen engen Grenzen, mit meiner Schuld. Oft mache ich mir vorschnell ein falsches Bild vom anderen neben mir, eine Vorstellung nach meinem (Vor)-Urteil. Ich kann und will meinen Nächsten gar nicht mehr wahrnehmen, wie er wirklich ist. Und doch bin ich mitverantwortlich für ein gutes Miteinander mit meinen Nächsten.

Wenn wir einander annehmen und gelten lassen, einander vergeben – das schafft Raum zum Leben, das ermöglicht Versöhnung, das bringt uns Gott näher. Gott ist uns in Jesus Christus entgegengekommen, ganz nah, um uns mit sich und untereinander zu versöhnen, um uns Leben zu schenken, um uns Freiheit, Frieden und Freude zu ermöglichen. Jesus hat dazu vielen die Hand gereicht und sie aufgerichtet. Was hindert uns daran so miteinander umzugehen?
Gott sagt bei der Berufung des Abraham, nach der Übersetzung Martin Bubers: „Geh einher vor meinem Antlitz. Sei ganz!“ (Gen 17,1) Gott lädt mich ein ganz zu sein, ganz ich selbst zu werden vor ihm, einmalig, mit meinen Stärken und Schwächen und mit all meinen Möglichkeiten, die ich habe. Er lädt mich ein, Ja zu sagen zu meinen Nächsten und zu mir selbst, mit all meinen Grenzen, weil er zuerst ganz Ja sagt zu mir. Was hindert mich daran ganz zu werden, ganz zu sein – versöhnt mit Gott?
Friedrich Prassl ist Rektor des internationalen theologischen Kollegs Canisianum In Innsbruck. 

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