Bergen und weiterreichen

Gedanken zum Weihnachtsfest von Diözesanadministrator Jakob Bürgler, Herausgeber der Kirchenzeitung Tiroler Sonntag.

Wie oft durfte ich das schon erleben: Ein Kind ist auf die Welt gekommen. Eine unermessliche Freude und Seligkeit erfasst die ganze Familie! So ein tiefes Glück! Alle sind schon neugierig, wie das Kind aussieht. Den ersten Besuch beim Neugeborenen kann man kaum erwarten. Und dann ist es soweit: Jeder will das kleine Kind in den Armen tragen – zumindest kurze Zeit. Die Großeltern, die Geschwister, Freunde der Familie. Ein berührender Augenblick. Der Zauber des Lebens wird im kleinen Kind so greifbar und konkret!

Das ist es, was im Zentrum von Weihnachten steht: Dass ich das kleine Kind von Betlehem in den „Armen“ meines Herzens trage und wiege, es an und in meinem Herzen berge, in ihm die tiefe Zu-
neigung Gottes zur Welt, zum Leben, vor allem auch zu meinem ganz konkreten Leben, erfahre und zu erspüren versuche. 

Johann Giner hat am Ende des 18. Jahrhunderts die abgebildeten Figuren für die Kirche in Absam geschnitzt. Was mir dabei besonders auffällt? Maria, die Mutter des kleinen Buben, tut etwas ganz Alltägliches, etwas, das uns wohl vertraut ist: Sie reicht das Kind weiter. Sie reicht es dem innerlich bewegten Weisen aus dem Morgenland. So kennen wir es: Im Kreis der Besucher wird ein kleines Kind weitergereicht. Es wird in lauter bergende Arme gelegt. 

Weihnachten ohne Weiterreichen verliert die Kraft. Alle, die das Glück des Christuskindes erfahren, müssen es weitergeben. Wer klammert, der verliert – die Freude, die Seligkeit, den Sinn. Weihnachtliche Menschen teilen die Schönheit des Glaubens mit jenen, die den Geschmack am Glauben und am Leben verloren haben. Weihnachtliche Menschen teilen das Glück und die innere Wärme mit jenen, die bittere Lebenserfahrungen machen müssen. Weihnachtliche Menschen lassen sich nicht dazu hinreißen, abzuwerten, auszuschließen und nur an sich selber zu denken. Wer das Kind von Betlehem in seinen Armen hält, wird mit dem Finger nicht auf Außenseiter und Arme zeigen. Er wird sich die ausgestreckten Arme des Christuskindes zum Vorbild nehmen und dessen Zärtlichkeit teilen und weitergeben. 

Verbunden mit dem Wunsch nach einem bergenden Weihnachtsfest bitte ich um ein offenherziges Weitergeben und Teilen! Frohe Weihnachten!

Jakob Bürgler, Diözesanadministrator

Ausschnitt der Krippe in der Basilika in Absam.