Feuer im Herzen – und Feuer „im Hintern“
Pfingsten
20. Mai 2018
Eröffnung des Pfarrzentrums zur Heiligen Familie in Wilten West
In Debant in Osttirol gibt es eine wunderbare Darstellung jener Szene, von der uns das heutige Evangelium berichtet. Der Osttiroler Künstler Alois Fasching hat sie geschaffen. Als Relief für den Altarraum. Der auferstandene Jesus haucht den Jüngern seinen Atem ein – mit kräftigen Zügen. Einen neuen Atem.
Es ist wie eine Wiederbelebung: Die Jünger leben neu auf, sie atmen auf, werden frisch und dynamisch. Der Hauch Jesu ist einer, der Frieden bewirkt. Er ist ein wohltuender Hauch. Ein Hauch, der Versöhnung schenkt. Ein Hauch, der wie ein kostbarer Atem alles durchflutet.
Mit diesem Hauch beschenkt der Auferstandene seine Jünger. Und uns! Jesus, der Lebende, kommt auch zu uns und erfüllt uns und unser Leben mit seinem Atem, mit seiner wohltuenden Gegenwart. Heute. Jetzt. Hier in der Kirche zur Heiligen Familie in Wilten West. Dieser Hauch will ein neues Pfingsten möglich machen. Die Kirche erneuern. Lassen wir uns beatmen!
Mir gefällt das Wort von der „Wiederbelebung“.
Das passt nämlich gut zu den Jüngern damals zu Pfingsten. Sie sind verschreckt, ängstlich, eingesperrt. Sie haben die Hoffnung auf eine gute Zukunft ihrer Gemeinschaft verloren. Ihr Herr und Meister ist tot. „Aus der Traum, zerplatzt sie Seifenblase.“ Wie soll es weitergehen? Ja, geht es überhaupt weiter? Die ganze Dynamik, die sie einmal erfasst hatte, ist weg. Und auch die Freude. Sie sind wie tot.
Das Feuer des Geistes Gottes, die Feuerzungen, die auf die Jünger herabkommen, wirken wie eine Wiederbelebung. Durch Herz-zu-Herz-Beatmung. Die Kraft und die Begeisterung werden wieder aufgebaut, die Freude zieht wieder in die Herzen ein. Es geht weiter. Die Hoffnung ist wieder da.
Wenn das nicht ein gutes Bild für unsere heutige Feier ist! Wir fragen uns ja auch oft: Wie soll es weitergehen? Geht es überhaupt weiter? Nimmt nicht alles ab? Wird nicht alles weniger? Wir sind verschreckt. Und wir brauchen eine Wiederbelebung. Wir brauchen Feuer. Feuer im Herzen – und Feuer „im Hintern“. Beten wir darum, dass diese Stunde der Segnung und der Eröffnung des Pfarrzentrums eine Neubelebung schenkt.
Ein Bild im Evangelium spricht mich sehr an: die verschlossenen Türen.
Wie soll denn ein neuer Aufbruch gelingen, wenn die Türen zu sind? Fest verriegelt, aus Angst, aus Beklommenheit, aus Unsicherheit.
Natürlich ist es im Evangelium der auferstandene Herr, der die verschlossenen Türen von innen öffnet. Aber es braucht doch auch die Bereitschaft der Jünger, da mitzutun. Das Pfingstfest macht deutlich: Unser Herr und Meister will auch heute und hier in Wilten West, mitten unter uns und in uns, die verschlossenen Türen aufmachen – gemeinsam mit uns.
Wie können wir empfangsbereiter werden? Wie zeigt sich konkret unsere „Willkommenskultur“? Dieses Wort ist in letzter Zeit leider in Verruf geraten. Ich meine es ganz positiv: Freue ich mich, wenn ein neues Gesicht da ist? Gehe ich auf diese Menschen zu? Bin ich einladend? Zeige ich Interesse an denen, die nicht mehr oder noch nicht da sind? Wie ihrem Leben bei uns Platz geben?
Eine Pfarrgemeinde ist nicht nur ein Ort zum es Fein-haben und für die Pflege einer internen Gemeinschaft. Die Kirche hat nicht nur eine „Kränzchen-Funktion“. Im Zentrum steht: Das Evangelium, die frohe Botschaft Jesu, leben und weitersagen. Dementsprechend ist es wichtig, das Leben in der Pfarrkirche und im Pfarrzentrum auf das „Schwergewicht“ dieser Botschaft auszurichten. Wir sind nicht ein Verein, der all das machen muss, was auch die anderen tun, und dabei noch in der Meinung, es besser machen zu können. Die Dynamik und der Anker müssen in der Freude des Glaubens liegen. Wir sind dazu da, dass wir selber und andere im Glauben wachsen können. Heute ist die Zeit Gottes. Heute ist er präsent. Heute sammelt er sein Volk. Heute berührt und bewegt er die Herzen. Wie in diese Dynamik der Sendung neu eintreten?
Was können wir anbieten? Das Evangelium spricht von drei Dingen: Friede, Freude und Versöhnung. (Nicht: Friede, Freude, Eierkuchen.)
Friede: Wir spüren alle, dass die Angst um sich greift, dass Zerwürfnisse, Streitereien, Konflikte bedrohlicher werden, dass die Sprache radikaler und gewalttätiger wird. Dazu kommt, dass es so viel inneren Unfrieden gibt, Nervosität, Aufgeregtheit. Und ich bin mir ganz sicher: Eine Stadt wie Innsbruck, und nicht nur sie, braucht Orte, die zum Frieden beitragen, Orte, die eine innere Ausrichtung und Ruhe und auch ein Stück Gelassenheit vermitteln. Unsere Kirchen sind solche Orte. Die Kirche soll dem Frieden dienen.
Freude: Wie viele gehen mit einem belasteten und schweren und gedrückten Herzen und Gesicht durch das Leben! Es ist unsere Sendung, Freude zu schenken. Ein schöner Satz für unseren Auftrag: „Wenn du die Freude des Glaubens in dir trägst, dann informiere dein Gesicht darüber!“ Dabei geht es nicht um platte Fröhlichkeit, sondern um eine tiefe innere und aus-strahlende Freude.
Versöhnung: Vor einigen Jahren durfte ich bei einer Schulbeichte in einer Innsbrucker Pfarre aushelfen. Und ich bin heute noch bewegt, wie tief sich die Spuren von Unversöhnlichkeit, Streit, Scheidung, Mobbing, Abneigung in die Herzen der jungen Menschen schreiben. Es ist bedrückend, wie das Aggressionspotential und die Wut in der Gesellschaft steigen, wie sehr Hass-Postings zunehmen. Demgegenüber gilt es, an einer Kultur der Versöhnung und des Neubeginnens zu bauen, das Heilen von Schuld und die Bitte um Verzeihung einzuüben.
Dazu und für eine Dynamik der offenen Türen will das neue Pfarrzentrum helfen: Die pfarrlichen Räume, der Pfarrsaal, die Küche, der Jugendraum, die Elisabethstube, der Innenhof und der Spielplatz – und nicht zuletzt der Vorplatz. Dazu und für eine Dynamik der offenen Türen will das Ineinander von Pfarre und neuen Wohnungen helfen. Menschen sollen hier einen guten Platz haben, um aufzuatmen, einen neuen Atem zu finden, einen Ort für die Seelen-Nahrung.
Möge Jesus Christus, unser Herr und Meister, durch die Pfarre zur Heiligen Familie der Wiederbelebung dienen. Und möge das Feuer des Heiligen Geistes die Türen dazu weit öffnen.
Jakob Bürgler