Ostern ist Zukunftsmut
Einleitung: Es war mehr als nur eine Verunsicherung. Die Jünger des schändlich hingerichteten Rabbi hatten sich verkrochen. Sie waren tief enttäuscht über sich und die Welt. Zukunft ein Fremdwort. Ganz heutig fühlt sich diese Ausgangslage an: Vielfache Bedrohungsszenarien, individuelle Bedrängnisse und kollektive Angstszenarien. Viel Ohnmacht, Lähmung, Zukunftsverweigerung – und gleichzeitig Vollgas, noch rausholen was geht, auch wenn wir der Jugend die Zukunft rauben. Ein eigenartiger Taumel zwischen Furcht, Resignation und Gleichgültigkeit. Das Evangelium von der Auferstehung Jesu schreckt uns auf. Viermal heißt es im griechischen Text: Siehe! Schau! Pass auf, was passiert! Im heutigen Jargon: Wow, voll cool! Auf Tirolerisch: Bärig! Zwei Frauen, die zum Grab gingen, haben mehr gesehen, als sie in ihren kühnsten Träumen zu hoffen wagten.
Schau dir das an! Eine himmlische Intervention
Maria von Magdala und eine andere Maria, zwei Liebende, wollten „sehen“ – nachschauen und vorausschauen, weil es ja weitergehen muss. Die Liebe gibt nicht auf. Und tatsächlich, vor ihren Augen ein unfassbares Ereignis. Gott selbst hat eingegriffen – und wie! „Siehe!“ Ein heftiges Beben und großes Theater: Ein Engel Gottes stieg hernieder, ging auf das Grab zu, wälzte den Stein weg und setzte sich demonstrativ darauf. Das Grab bleibt offen! Der Gott des Lebens hat die Initiative ergriffen. Nicht menschliche Wünsche und Sehnsüchte generieren den Osterglauben. Schon gar nicht abstrakte Überlegungen, dass es irgendwie weitergehen müsste. Endstation Grab, oder? Ist es möglich, sich aus dem Taumel des Negativen und aller Schuld-Verdammnis herausreißen zu lassen?
Ich teile hier die Oster-Erfahrung eines Winzers von Mönchhof. Er war Mitte der 80er Jahre in den Weinskandal verwickelt. Die legendäre Überproduktion edler Spätlese haben sie mit Glykol-Zusatz „ermöglicht“. Zusammen mit anderen Weinbauern befand er sich schlussendlich im Gefängnis. Sein Ruf war ruiniert, enorme Schulden, ständig Schübe von Depressionen. Vollkommen unerwartet hört er an einem Vormittag in seiner Zelle eine ungewöhnliche Stimme: „Die Schande wirst Du nie mehr los! Mach Schluss!“ Doch dann, ebenso deutlich, eine „andere“ Stimme: „Du wirst leben. Ich bin mit dir. Fürchte Dich nicht!“ Taumelnd antwortete er: „Ich glaube, hilf mir!“ Und plötzlich enormer Friede, innere Gewissheit. Seine Kollegen konnten es nicht fassen. Unerwartet alles zum Guten gewandelt?!
„Gott isch ma untakemmn“ – österliche Begegnung verwandelt
Trauen wir Gott diese österliche Wende zu? Oder haben wir schon verinnerlicht, dass das Leben immer nur schrecklicher wird? Wer sagt das eigentlich? Selbst wenn das „österliche Erdbeben“ nur ein leiser Ruck ist, ein feiner Impuls, eine zarte Stimme ist. Hören wir sie? Die Ansage des Engels am Grab ist programmatisch: 1) „Fürchtet euch nicht!“ Sich nicht von der Furcht auffressen lassen! 2) „Jesus, den ihr sucht, ist nicht hier.“ Glaube ist kein „Totenkult“. Fixierungen auf die Vergangenheit überwinden. 3) „Er ist auferstanden, wie er gesagt hat.“ Sich immer an die Worte Jesu erinnern. Er ist der Lebendige. 4) „Seht die Stelle, wo er lag.“ Glaube ermutigt zum genauen Hinschauen. 5) „Geht und sagt den Jüngern: Jesus ist auferstanden.“ Trotz eigener Unsicherheit Frohbotschafter sein.
Aber so einfach geht das nicht. Selbst die Frauen, die Gottes Eingreifen sozusagen live erlebt haben und mit Furcht und großer Freude (!) vom Grab wegliefen, brauchen einen zweiten Anschub in Richtung Zukunftsmut: Unterwegs begegnete ihnen Jesus selbst. Wieder im Text markiert: Siehe! Wow! Gibt´s denn das?! Sie fallen vor ihm nieder und umfassen mit ihren Händen seine Füße – ja, so real ist der Auferstandene. Er hat ein Standing auf dieser Erde, keine Einbildung! Auf Tirolerisch würden wir sagen: „Gott isch ma untakemmn.“ Die Plakat- und Videoserie hat einiges an Aufsehen erregt: Junge Erwachsene erzählen von ihrer Begegnung mit Gott. Sie berichten von Ereignissen, die ihr Leben „bis tief ins Mark hinein verändert haben“. Und noch eine Stimme. Ein Techniker, der vegane Lebensmittel entwickelt, sagte mir: „Wir müssen die Zukunft wollen!“ Zukunft glauben.
Zweimal: Geht und verkündet! Ihr werdet schon sehen!
Ostern heißt, sich von Gott ergreifen zu lassen. Ich sage dies nicht leichtfertig, religiöses Geschwätz ist mir zuwider. Dennoch: Müsste nicht unser Denken, Empfinden, unsere eingespielte Welt- und Lebensanschauung neu programmiert werden – ebenso die Algorithmen, die nur die vergangenen Enttäuschungen, Schuldzuweisungen und Negativprognosen verrechnen können? Die Frage ist: Wie geht realistischer Zukunftsmut? Der Evangelist Matthäus gibt uns im heutigen Ostertext den starken Impuls: Lass dich vom Wirken Gottes überraschen! Es gibt nicht nur die zerstörerischen Beben, kriegerische Verwüstungen, auch nicht nur die fatalen Stimmen, die uns einreden, dass ohnehin alles zu spät ist. Gott hat mehr Möglichkeiten als wir in unserer religiösen Kleinkrämerei denken. Und:
Gott verwandelt uns in österliche Menschen. Der von ihm geschenkte Osterglaube setzt neue Energien frei. Immer wieder heißt es im Evangelium: „Du wirst sehen!“ Zweimal der energische Auftrag: „Geht, verkündet, der Herr ist auferstanden!“ Das ist das Herzstück unseres Glaubens. Ebenso mehrfach die Zusage: „Er geht euch voraus nach Galiläa.“ Im Galiläa unseres Alltags braucht es eine neue Dynamik - österliche Menschen, die sich füreinander Zeit nehmen, um Einsamkeit aufzubrechen. Versöhnte Menschen, die Kreisläufe negativen Redens stoppen, Gutes sehen und verstärken. Aufmerksame Menschen, die Bedürftige unterstützen, Geflüchteten und Vertriebenen Heimat anbieten sowie den vielfach belasteten und psychisch kranken Menschen mit Feingefühl begegnen. Setzen wir uns ein für ein gesellschaftliches Klima, für eine österliche Kirche und Politik, die Zukunftsmut aufbaut und die Zukunftsthemen der jungen Leute ernstnimmt. Österlich mutig!
Abschluss: Jesus, der Auferstandene, geht voraus – auch und gerade dorthin, wo Konflikte zu lösen sind, große Herausforderungen warten oder sogar Überforderungen drohen. Lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf seine Stimme und sein Wirken. Er macht uns zu österlichen Menschen. Die Tatsache, dass er uns „vorausgeht“, ganz egal, was uns erwartet, begründet unseren Zukunftsmut.