Bischof Hermann Glettler zur Aufstellung der Tafel "Grüß Göttin"
Ich bin mit der permanenten Aufstellung der Tafel „Grüß Göttin“ am Kreisverkehr Autobahnabfahrt Innsbruck-Mitte alles andere als glücklich. Ich möchte jedoch mit meiner Stellungnahme keine künstliche Aufregung verlängern. Es gibt wesentlichere Themen und Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die viel mehr Aufmerksamkeit und leidenschaftliche Beteiligung bräuchten.
Ich sehe den Wert dieses Kunstwerkes als eine gelungene temporäre Provokation. Erstarrte Gottesvorstellungen müssen hinterfragt werden. In einer temporären Präsentation kann ich aus diesem Grund eine gewisse künstlerische Qualität erkennen. Ob sich diese in einer dauerhaften Aufstellung bewährt, bezweifle ich. Mit der Zeit verbraucht sich der zugrundeliegende Wortwitz.
Außerdem ist die traditionelle Grußformel „Grüß Gott“ ein immaterielles Kulturgut unseres Landes. Die Frage ist, ob es durch die Umformulierung nicht zu einer nachhaltigen Beschädigung dieses Grußes kommt. Wäre es uns denn angenehmer, wenn von einer guten Kultur des Grüßens nur mehr ein oberflächliches „Hallo!“ und „Tschüss!“ übrigbliebe? Die Vollform lautet übrigens: „Es grüßt dich Gott!“ Im Dialekt: „Griaß di Gott!“ Damit ist die größte Macht und Liebe gemeint, die sich von sich aus den Menschen geoffenbart hat und in jeder menschlichen Begegnung zuwendet. Mit Sicherheit ist nicht eine männliche oder weibliche Gottheit unter vielen gemeint, wie dies in einer polytheistischen Gottesvorstellung üblich wäre. Der eine Gott hat selbstverständlich in sich männliche und weibliche Wesenszüge, wie dies in der schönen Glaubensformel „Gott ist für uns wie Vater und Mutter“ zum Ausdruck kommt. Die Bezeichnung „Gott“ ist in der abrahamitischen Tradition, der sich das Judentum, das Christentum und der Islam verpflichtet wissen, gerade keine „umfassende Gottesvorstellung“, was fälschlicherweise behauptet wird, sondern eine sehr deutliche Absage an alle Gottheiten der Stärke, des Erfolges und der Fruchtbarkeit, die es im Umfeld des Volkes Israel und auch heute mit den unterschiedlichen Namen zahlreich gab, bzw. gibt. Gott - und so lautet das Bekenntnis von rund vier Milliarden Menschen - ist der Ursprung und das Ziel von allem, was existiert. Er ist allen menschlichen Vorstellungen überlegen und gerade nicht einem Geschlecht zuzuordnen, wie dies mit der Bezeichnung „Göttin“ bewusst oder unbewusst wieder zum Ausdruck kommt.
Bischof +Hermann Glettler