Wir spüren, wie aktuell wir sind

Seit einem Jahr bereitet sich Thiersee auf die Passionsspiele 2011 vor. Bis zur Premiere am 29. Mai haben die 250 Darsteller, Musiker und Helfer 50 Probeeinheiten absolviert.

Seit einem Jahr bereitet sich Thiersee auf die Passionsspiele 2011 vor. Bis zur Premiere am 29. Mai haben die 250 Darsteller, Musiker und Helfer 50 Probeeinheiten absolviert. 

Von Daniela Pirchmoser

„Wir werden oft gefragt, warum wir uns auf die Passion einlassen, auf Urlaub verzichten und bis Oktober 30 Mal auf der Bühne stehen. Die Voraussetzungen dafür sind der Glaube und die Überzeugung“, schildert Maria-Darstellerin Maria Mairhofer. „Als Mitwirkender erfährt man eine unvergleichbare Gemeinschaft. Für mich ist der Verzicht auf Urlaub kein Thema. Ich erlebe durch die Passion immer etwas Neues“, erklärt der 39-jährige selbstständige Installateur Josef Graßhoff, der bereits zum zweiten Mal den Jesus spielt.Mitspielen bewegt und verändert. Das Mitspielen bewegt und verändert die Menschen: „Man lebt bewusster. Als Jesusdarsteller ist man auch Vorbild. Nach 2005 spiele ich zum zweiten Mal den Jesus und heuer lebe ich mich noch tiefer hinein“, erzählt Martin Sieberer, dessen Frau und Kinder auch dabei sind. Die Thierseer Passion zeichnet ein darstellerisches Novum aus: Bereits zum zweiten Mal werden zwei Jesus-Interpretationen im selben Regiekonzept angeboten. Die zwei Darsteller sind betreffend ihres Temperaments, ihrer Gefühle, ihrer Ausstrahlung sehr unterschiedlich: „Jeder berührt die Menschen auf einer anderen Ebene“, zeigt sich Regisseur Diethmar Strasser begeistert, der die Authentizität, die Schlichtheit und die Ehrlichkeit der Darstellung unterstreicht.Was würde Jesus heute sagen? „Auf der Bühne stehen Menschen wie du und ich, Menschen, die alltägliche Berufe ausüben. Sie bringen die Geschichte eines Menschen wie du und ich auf die Bühne. Deshalb fasziniert die Passion immer noch so viele“, ist der an der Wiener Volksoper tätige Regisseur der Passion, Diethmar Strasser, überzeugt.„Ich stelle mir immer die Frage ‚Was würde Jesus heute sagen?“, erzählt Strasser: „Bei der Passionsgeschichte geht es nicht um ein 2000 Jahre altes Geschehen. Die Botschaft ist brandaktuell. Legt man die Geschichte auf die Gegenwart um, so würde Jesus vielleicht mit einem Schiff und den Eltern vor Lampedusa stranden“, überlegt Strasser.Bergpredigt als Maßstab für Politik. „Wir spüren, wie aktuell wir sind, auch wenn wir in historischen Kleidern spielen. Betrachtet man die Geldgeschäfte des Zachäus, so kennen wir ähnliche mit anderen Namen. Die Bergpredigt kann als Maßstab für die Politik gesehen werden“, erklärt Strasser, für den die Thiersser Passion Ehre und Auftrag zugleich ist.Neuer Judas. Nach den großen Veränderungen im Jahr 2005 setzen die Thierseer wieder neue Akzente: Judas wurde von diabolischen Einflüssen befreit und als politisch motivierter Jünger, der Jesus falsch verstanden hat, gezeichnet. Auch die Figuren des ungläubigen Thomas, der Maria Magdalena und des Satan wurden aufgewertet. „Bis zum Schluss haben wir am Stück gearbeitet, Szenen verändert und verbessert“, so Strasser, der das Leben Jesu Gläubigen und Nichtgläubigen näherbringen möchte: „Dieser Lebensentwurf liefert uns im nichtkirchlichen Raum Antworten, die die Welt und der Konsum nicht geben können. Bestimmte Gedanken lassen einen nicht mehr los. Man erkennt beim Lesen der Zeitung, wie einfach viele Situationen wären, wenn man sich auf die Sätze von Jesus beziehen würde“, ist er überzeugt.Große Erwartungen. Das Passionsspielhaus wurde für 2011 mit einer neuen Bestuhlung ausgestattet. Die Erwartungen sind groß: „Wir rechnen heuer mit 15.000 bis 16.000 Besuchern“, zeigt sich der Obmann des Passionsspielvereins Thiersee, Johann Kröll, optimistisch.Passionsspiele Thiersee: Die nächsten Termine: 4., 5., 11., 12., 18., 19., 25., 26. Juni; Beginn 13.30 Uhr; Kontakt: Tel. 05376/5220;E-Mail: info@passionsspiele-thiersee.at      

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