Weltkirche lernen

In einem Brief aus Rom schreibt Hermann Glettler von seinen Erfahrungen bei der Einführungswoche für neue Bischöfe.

Für die neuen Bischöfe gibt es in Rom jährlich eine Formatio, eine umfassende Einführung in den verantwortungsvollen Dienst. Außerdem sollen sich die frischgeweihten Nachfolger der Apostel durch die Vielfalt von Weltkirche inspirieren lassen. Acht Tage für die Begegnung mit 140 neuen Bischöfen, dazu noch 70 afrikanische Bischöfe mit einem eigenen Kurs. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer sind Weihbischöfe.
Der Auftrag lautet: Weltkirche lernen! Das Frühstück mit einem jungen Bischof aus dem Amazonasgebiet, wo vor allem die soziale und ökologische Sorge die Mission bestimmt. Während der Vormittags-Konferenz Pausengespräche mit Bischöfen aus den Philippinen. Sie versuchen mit „Small Christian Communities“ in den Pfarren, die alle mehr als 30.000 Katholiken umfassen, das Netz einer missionarischen Kirche auszuspannen. Ähnliches haben wir mit den geplanten Weggemeinschaften in Tirol vor. Mittagessen mit einem Mitbruder aus Alaska, dessen pastorale Aufmerksamkeit speziell den indigenen Völkern gilt. Nachmittags ein Kaffee mit den deutschen Kollegen. Wir haben ähnliche Sorgen. In der englischsprachigen Untergruppe geht es mit den US-amerikanischen Bischöfen nach der Veröffentlichung der exakten Zahlen aller Missbrauchsfälle in Pennsylvania um den schmerzlichen Vertrauensverlust in die Kirche. Abendessen mit einem maronitischen Bischof, der nicht nur im Libanon die Auslöschung des orientalischen Christentums befürchtet. Soweit ein paar Blitzlichter aus Rom zur Vielfalt, Lebendigkeit und Verwundung unserer Kirche.
In nahezu allen Vorträgen kommt die Bedeutung einer „pastoralen Bekehrung“, die Papst Franziskus einfordert, zur Sprache. Ich übertrage dies auf unsere Situation in Tirol: Persönliche Begegnungen haben Vorrang vor Sitzungen; den Blick auf jene richten, die sich an den Rand gedrängt fühlen; Solidarität leben; überall eine „missionarische Atmosphäre“ schaffen, die von Freude und Zuversicht geprägt ist; dem Gebet einen größeren Raum geben, damit sich die persönliche Freundschaft mit Christus erneuern kann; eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Laien und Priestern vorantreiben, sodass sich die vielen Charismen entfalten können; …
Auf diesem Hintergrund wird deutlich, dass wir den gegenseitigen Verdächtigungen und Anklagen, wo auch immer sie sich einschleichen, keinen Raum geben dürfen. Wir haben eine große Verantwortung. Es ist ein Gebot der Stunde, Gott für den Dienst der Einheit zu danken, der von Papst Franziskus in großartiger Weise ausgeübt wird. Wir unterstützen ihn im Gebet – aber auch in der von ihm geforderten Mission. So danke ich Euch allen ganz herzlich für jede Mühe und Großzügigkeit. Alles, was aus Liebe geschieht, wird Frucht bringen. Für einen guten Start ins neue Arbeitsjahr erbitte ich den Segen Gottes!
Hermann Glettler, Bischof von Innsbruck