Wandertipp des Tiroler Sonntag: Auf ins Paradies!

Auch irdische Plätze sind tragen mitunter himmlische Namen. Ein solcher Ort ist das Paradies in den Stubaier Alpen. Ein Wandertipp der besonderen Art, der auf 3.400 Metern Seehöhe führt.

Der Weg ins Paradies ist steinig und steil. Er führt über die Tugend der Aus­dauer und Zielstrebigkeit und bedarf mitunter eines sicheren Tritts. Auf 2400 Metern Seehöhe, mitten in den Stubaier Alpen, ist es zu finden: ein Hochmoor, das seinem überirdischen Namen alle Ehre macht. 

von Walter Hölbling
Sanfte Stille. Die letzten Schritte ins Paradies führen über riesige Gneisformationen, die der Gletscher über die Jahrtausende abgeschliffen hat. Hier ist jeder für sich selbst verantwortlich, Fehltritte können ernste Folgen haben. Und dennoch ist man auch hier nicht ganz auf sich allein gestellt. Die schwierigsten Stellen sind mit Drahtseilen und Eisenbügeln gesichert. Erst kurz vor dem Ziel weitet sich der Blick auf das helle Grün des Hochmoors, durch das sich der Gletscherbach schlängelt. Wollgras, Wasser und Licht – das sind die bescheidenen Zutaten, die das Paradies zu einem ganz besonderen Ort der Stille und Erholung machen. Allein der Anblick ist jede Mühe des Aufstiegs wert. Hier zähmt sich die schroffe Natur des Hochgebirges und gönnt sich eine Atempause. Das Wasser
hat viel Zeit, sich durch das Hochmoor zu schlängeln, ehe es durch ein enges Tor wieder zum rauschenden Wildbach wird.
Basislager Nürnberger Hütte. Wer zum Paradies will, kann die Nürnberger Hütte auf keinen Fall links liegen lassen. Die Alpen­vereinshütte auf 2.297 Metern ist der ideale Ausgangspunkt für einen Besuch im Para­dies. Die Hüttenwirte Martina und Leonhard Siller wissen um das besondere Kleinod in ihrer Nähe: „Da weiß man, warum solche Plätzchen von den Menschen als Kraftorte erlebt werden“, sagt Martina Siller. Sie sorgt mit Ehemann Leo und einem Team von Helfer/innen für die Verpflegung der Wanderer und Bergsteiger. Was auf der Nürnberger Hütte auf den Tisch kommt, stammt aus der eigenen Landwirtschaft in Neustift, freut sich die Hüttenwirtin. Ob Kaiserschmarren, Knödeltris, Gulasch oder das reichhaltige Salatbuffet: Das kulinarische Angebot ist ein Vorgeschmack auf jenes Paradies, das in ca. eineinhalb Stunden von der Hütte aus erreicht wird. Für längere Aufenthalte bietet die Nürnberger Hütte 130 Schlafplätze.
Zollwache. Engel bewachen das Paradies, so liest man auf den ersten Seiten der Bibel. Darum passt auch ins Bild, dass auf dem Simmingjöchl oberhalb des Stubaier Para­dieses ein altes Zollhäuschen steht. Es diente als Unterkunft für die Zöllner, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Grenze zwischen Österreich und Italien kontrollierten. Schließlich führte ein Schmugglerpfad vom Stubaital ins Ridnauntal in Südtirol. Vor allem Tabakwaren, Spirituosen, Seidenstrümpfe und Nahrungsmittel wurden in den Jahren nach dem Krieg übers Joch von Italien nach Tirol geschmuggelt.
  

Auf dem Weg. So wie vieles, was einzigartig ist, liegt auch dieses Paradies buchstäblich auf dem Weg. Man muss nur die Augen auftun, um seine Schönheit zu sehen. Wer von der Nürnberger zur Bremer Hütte geht, kommt in den Genuss dieses Anblicks. Aber so wie Moses zwar einen Blick in das Gelobte Land werfen, es selbst jedoch nicht betreten durfte, ist es auch mit diesem Paradies. Um das einzigartige Biotop zu schützen, verlaufen die ausgetretenen Trampelpfade den steilen Hang entlang. In Berührung mit dem Paradies kommt nur, wer sich Zeit nimmt, seine Schuhe auszieht und die heiß gelau­fenen Fußsohlen im stillen Wasser kühlt. Die weitläufigen Moorflächen aus Wollgras sollten aber auch davon unberührt bleiben.

 

Der Weg ins Paradies:

  • Vom Parkplatz der Nürnberger Hütte kurz nach Ranalt im hinteren Stubaital über die B’suchalm in 2,5 Stunden auf die Nürnberger Hütte (2297 m). Von dort dem Hinweisschild zum Paradies folgen. Gehzeit  1,5 Stunden. Der gut markierte Weg ist zum Teil mit Drahtseilen gesichert. (Alpenvereinskarte 31/1, Stubaier Alpen).
  • Die Nürnberger Hütte ist der ideale Ausgangspunkt für einen Besuch im Paradies. Kinder- und familienfreundliche Hütte mit Umweltgütesiegel. 130 Schlafplätze. Ausgangspunkt für viele 3000er in den Stubaier Alpen. Kontakt: Leonhard und Martina Siller, Tel. 0 52 26/24 92. www.nuernbergerhuette.at
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