Von Haus zu Haus

Es war eine späte Liebe. Roger Lenaers war schon fast 40, als er in Begleitung einer Gruppe von Medizinstudenten der Katholischen Universität Leuven ins Lechtal kam. Damals sah er zum ersten Mal Berge. Sie faszinierten ihn, denn er war an der flämisc...

Es war eine späte Liebe. Roger Lenaers war schon fast 40, als er in Begleitung einer Gruppe von Medizinstudenten der Katholischen Universität Leuven ins Lechtal kam. Damals sah er zum ersten Mal Berge. Sie faszinierten ihn, denn er war an der flämischen Nordseeküste geboren. 

Immer wieder ist P. Roger ins Lechtal zurückgekehrt: Anfänglich zwei Wochen im Sommer, um dem Pfarrer von Bach und Stockach ein paar Wochen Urlaub zu ermöglichen. Und als diese Pfarren dem Pfarrer von Elbigenalp zugeteilt wurden, um diesem zu Weihnachten, zu Ostern und sechs Wochen im Sommer auszuhelfen.
1995 kam er für ein ganzes Jahr. Aber schon nach einem halben Jahr sagte ihm der Dekan: „Die Leute möchten, dass du bleibst.“ Und so ist er geblieben. Immer noch ist P. Roger Seelsorger der beiden kleinen Lechtaler Gemeinden Vorderhornbach und Hinterhornbach, mit 260 bzw. 90 Einwohnern. Seine Wohnung hat er im Widum von Vorderhornbach, gleich gegenüber der Kirche.
 
Zeit zu beten. Pfarrer Roger wird Anfang Jänner 86 Jahre alt und fühlt sich immer noch wohl: „Mit 80 sagte ich mir: ich mache es noch fünf Jahre. Jetzt schaue ich nur ein Jahr voraus. Und mache inzwischen weiter.“ Ein Grund für P. Rogers Frische liegt wohl in seiner konsequent einfachen Lebensführung. Er hält seinen „ökologischen Fußabdruck” so klein wie möglich. Er hat keinen Wagen, hat sein Moped verkauft, fährt mit dem Rad, geht öfters am Sonntag zu Fuß von Vorderhornbach nach Hinterhornbach, immerhin mehr als sechs Kilometer. Das sei schön, meint er. Er nütze diese Stunde um zu beten, weshalb die Strecke nicht wirklich lang sei. Oder er fährt die Strecke mit dem Rad, überwindet dabei 150 Höhenmeter.
Sogar im Winter zu Fuß. Sogar im Winter legt er die Strecke nicht selten zu Fuß zurück. Überhaupt scheint ihm die Kälte nicht wirklich viel anhaben zu können. Allerdings: „Ab -5 Grad in der Kirche von Hinterhornbach halte ich die Messe kurz. Das, was wenig wichtig ist, lasse ich dann aus.” Doch auf die Predigt verzichte er nie. Denn gerade in der Verkündigung unseres Glaubens an Gott und Jesus Christus in einer moderneren Sprache und in einer möglichst menschennahen Liturgie sieht er seine wichtigsten Aufgaben. Die weiteren Aussichten für seine Arbeit als Seelsorger sieht P. Roger gelassen. „Solange ich kann, bleibe ich.“  Weniger rosig sieht er die Aussichten für die Zukunft des Glaubens. Die Zahl seiner Kirchgänger schrumpft langsam, aber unaufhörlich. Und wie in den meisten Pfarren, bleibe das, was sonntags in der Kirche geschieht, ohne Einfluss auf den Alltag.
 
Kenne jedes Haus. Die Verbindung mit seinen Leuten ist P. Roger ein Herzensanliegen. „Als ich hier angefangen habe, und absolut niemanden kannte, bin ich von Tür zu Tür gegangen. So kannte ich nach ein paar Monaten alle. Und immer noch gehe ich die Leut besuchen. So halte ich auch jene, die selten oder nie zur Kirche kommen, mit dem Glauben verbunden.“ Das Band mit seiner flämischen Heimat, 800 Kilometer ist es lang, hält er lebendig. „Eigentlich habe ich drei Pfarren”, sagt er: „Vorderhornbach, Hinterhornbach und ganz Flandern.“ Denn immer wieder fährt er dorthin um Vorträge über Glaubensfragen zu halten. Seine Sicht des Glaubens hat er in einem umstrittenen Buch „De Droom van
Nebukadnezar“ niedergelegt, das aus dem Niederländischen in Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch und Französisch übersetzt große Verbreitung gefunden hat. Bald erscheint ein zweites: „In Gott leben wir ohneLean Gott“. 

Diese Vorträge und Bücher sind zusammen mit seinen Sonntagspredigten ein Teil des Vielen, das er sät. Andere Pflanzen wachsen rund um sein Pfarrhaus: „Zuckerhut, Bohnen, Kartoffel, Zucchini… Ich habe fast das ganze Jahr über Gemüse aus dem eigenen
Garten“, meint P. Roger. 

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Tiroler Sonntag - Aktuell