Versprichst du Ehrfurcht und Gehorsam?

Bischof Manfred Scheuer in seiner Predigt bei der Priesterweihe im Dom zu St. Jakob am 24. Juni 2012.

Verspricht du Ehrfurcht und Gehorsam? 

Priesterweihe 2012 

 

„Versprichst du mir und meinen Nachfolgern, versprichst du deinem Oberen Ehrfurcht und Gehorsam?“[1] Ein anstößiges Versprechen, das auf den Widerspruch vieler Zeitgenossen stößt. Vor einem Jahr war es der Aufruf zum Ungehorsam gerade vor der Priesterweihe, der die Gemüter erhitzt hat. Und die Gemüter sind noch nicht abgekühlt. Man darf das Gehorsamsversprechen nicht von den evangelischen Räten der Armut und der Ehelosigkeit isolieren. Man kann auch nicht einfach ein dem Evangelium fremdes Verständnis des Gehorsams als Vorbild heranziehen. Da wäre zum Beispiel das Motto: Wer zahlt, der schafft an! Weder die Wirtschaft, noch die Politik taugen so ohne weiteres als Vorbild für die Kirche.

 

Liebe zu Christus

 

Primäre Bezugspunkte für den Gehorsam sind Gott und sein Evangelium. Gehorsam „ist die Haltung derer, denen die Liebe zu Christus über alles geht.“[2] Er ist die Leidenschaft für das Reich Gottes, er sucht in allem zuerst das Reich Gottes (Mt 6,33). Der Gehorsam ist von Jesus Christus das innerste freie Ja zu seiner Sendung und zu seinem Schicksal; er ist in die personale liebende Beziehung zum Vater eingebunden. Der personale Gehorsam soll Raum für Liebe schaffen und in die Dynamik der Liebe hinein nehmen. Der Gehorsam richtet sich dann auch auf Gebote und Normen, auf die Tradition, die sich in den Orden z.B. in der Regel konkretisiert. Und dieser Gehorsam ist für die Einheit der Gemeinschaft und der Kirche durchaus wichtig. Ohne Gehorsam als Wille zur Einheit würde die Kirche nicht erneuert, sondern in viele Freikirchen aufgesplittert.

Das personale Gegenüber des Gehorsams ist der Bischof, der Obere oder auch die Gemeinschaft insgesamt sein. Letztlich steht er auch für jene Haltung, die in Demut allen untertan sein will. Als Priester seid Ihr zur Mitarbeit im Reich Gottes berufen. Von Jesus her ist der Gehorsam von seiner Sendung zu verstehen. Der Geist lässt Mauern und Barrieren überwinden, er dynamisiert die oft eng gezogenen Grenzen. Er bedeutet Bereitschaft zum Wagnis, zum Abenteuer; er schließt die Fähigkeit ein, Neuland unter die Füße zu nehmen und sich auf Unbekanntes einzulassen. Der Gehorsam im Sinne der Sendung Jesu öffnet auf die Universalität des Reiches Gottes (Mt 28, 16-20).

 

Die gegenwärtige Gnade lieben

 

Das Gehorsamsversprechen taugt nichts für die Flucht in eine verklärte Vergangenheit der Kirche, nach dem Motto: wenn wir wieder am Ruder wären, dann würde es der Kirche nicht so schlecht gehen. Aber auch für utopische Träume kann er nicht herhalten, z.B. wenn wir das oder jenes heiße Eisen gelöst haben, dann hätten wir das Reich Gottes. Jesus ermutigt uns die „gegenwärtige Gnade zu lieben.“ Ignatius von Antiochien: „Entweder müssen wir Furcht haben vor dem kommenden Zorn oder die gegenwärtige Gnade lieben, eins von beiden, nur dass wir in Christus Jesus erfunden werden zum wahren Leben. Nichts gewinne euer Wohlgefallen außer ihm, in dem ich die Fesseln herumtrage, die geistigen Edelsteine, in denen mir die Auferstehung zukommen möge durch euer Gebet, dessen ich immer teilhaftig sein möchte, damit ich erfunden werde in den Reihen der Epheser, der Christen, die auch mit den Aposteln immer zusammengestimmt haben in der Kraft Jesu Christi.“[3] Und Papst Benedikt ermutigt in einer Katechese zum Bischof von Antiochien, uns „immer stärker in die Sendung der Kirche miteinbezogen zu fühlen, um mit neuem apostolischen Elan den zahlreichen sozialen und religiösen Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit entgegenzutreten.“[4] Viele wünschen sich die Erneuerung der Kirche aus der Kraft des Gottesgeistes! Ich verstehe die Kirchenkrise als Kairos, als Entscheidungssituation und Chance.

 

Eine brüderliche Gemeinschaft

 

„Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders.“[5] Keiner kann als Single Jesus nachfolgen. Ihr werdet nicht für euch selbst geweiht, sondern für andere. Es braucht die Hilfe, die Ermutigung, die Anregung, die Begleitung und auch die Kritik durch andere. Wer niemanden mit schauen lässt, wer sich der geistlichen Begleitung entzieht, wer sich nicht dem Urteil der Gemeinschaft aussetzt, bei dem ist Skepsis angebracht. Es gehört zum Geist des Gehorsams: Sich nicht versklaven zu lassen an die eigenen Lebenserwartungen und Lebensentwürfe, sondern hinzuhören auf den Anspruch Gottes, den Anspruch der Mitmenschen.

 

Dienst und Macht

 

Der Nachvollzug des Gehorsams Jesu verlangt von allen das brüderliche Dienen. Alle sind ermahnt, in Demut und Selbsterniedrigung den letzten Platz einzunehmen. Kirchlich ist sehr viel von Dienst und vom Dienen die Rede. Unter dem Vorwand zu dienen und für andere da zu sein, gibt es sehr subtile Weisen Macht auszuüben und den eigenen Vorteil zu suchen. Es wäre auch eine Ideologie und Verschleierung zu sagen, die kirchlichen Amtsträger hätten keine Macht. Wahre Allmacht zeigt sich in gewaltfreier Liebe, die sich um der Freiheit des anderen willen in seiner Allmacht zurücknimmt und in das Drama der Freiheit und Beziehung einlässt.

Ein Amtsträger hat im Auftrag Jesu in Wort und Tat Macht auszuüben, aber eben nicht die eigene Macht. Eine solche Macht wird nur ertragen, wenn der Priester transparent bleibt für die Macht und Ohnmacht Gottes. Notwendig ist der Mut, über die Ambivalenz von Macht, Ohnmacht und Dienst zu reden. Eine redliche Selbstwahrnehmung wird erkennen, dass Macht in der Kirche teilweise auch lustbesetzt ist. Nur ehrliche Selbsterkenntnis wird auch die Gefahren von Macht erkennen und kreativ an Verhältnissen von Macht, Angst und Abhängigkeit arbeiten können.

 

Gehorsam des Kreuzes

 

Wenn wir die Richtungen des Gehorsams betrachten: die Ausrichtung auf Gott, aber auch auf Obere, die Einbindung in die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern, aber auch der Dienst an den Kleinen und Schwachen, das Hören auf die Untergebenen, so ergeben diese Richtungen die Form des Kreuzes. Wer den Weg der Nachfolge geht, wird auch Erfahrungen der Erfolglosigkeit, des Schmerzes und des Kreuzes machen. Die Zumutungen der Armut, des Unverstandenseins, des Zerbrechens von Plänen, des Umsonst aller Mühe, des Sterbens und der Gottverlassenheit sind dem Weg Jesu nicht äußerlich. Gehorsam lässt die eigene Wehleidigkeit und Suche nach Selbstbestätigung durchkreuzen. Für Jesus, der in einer ganz zärtlichen Beziehung zu seinem Vater stand, bedeutete es Glück und Leben, mit dem Vater, vor dem Vater, vom Vater her zu leben, sich dem Vater zu übereignen, dem Abba. Aber dieser Vater nimmt den eigenen Sohn bis zum Letzten beim Wort, indem er ihn in den Tod führt. So wird dieses innige Verhältnis Jesu zum Vater zu einem Weg, an dessen Ende das Kreuz steht. Trotz dieser Erfahrung aber hält Jesus am Abba fest und wird nicht enttäuscht, wie es das Ereignis der Auferweckung zeigt.

 

Wir feiern Priesterweihe. Vier Männer sind unter uns, die Gottes Ruf mit ihrem Ja beantworten. Liebe Weihekandidaten! Ihr seid für uns Anlass zu großer Freude und Dankbarkeit. Wir danken für Eure Bereitschaft, als Priester unserer Kirche leben und arbeiten zu wollen. Ich wünsche mir von euch allen, liebe Schwestern und Brüder, dass wir den Wert unserer Priester für die Menschen und für unser Kirchesein neu sehen lernen und unsere Priester in ihrer Bedeutung für uns schätzen. Ich möchte diese Wertschätzung auch auf ihre zölibatäre Lebensform ausdehnen. Zum sakramentalen Wesen dieser priesterlichen kirchlichen Gemeinschaft gehört, dass zeichenhaft der Vorrang Christi und sein Gegenüber zur Gemeinde sichtbar werden. „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil.“ (LG 10) Keine Gegensätze, sondern gegenseitige Verwiesenheit und Ergänzung. Beide sind sakramental begründete und sakramental unterschiedene Partizipationen am einen Priestertum Christi.

Liebe Mitbrüder, auf diesem Ihrem priesterlichen Weg dürft Ihr gewiss sein: Christus selbst geht mit Euch auch Euch bricht er immer wieder das Brot des Lebens. Darin erfahren wir IHN als gegenwärtig. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20)

Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck

 

[1]Pontificale I, 103.

[2]Regula Benedicti 5,2.

[3]Ignatius von Antiochien, Brief an die Epheser 11

[4]Benedikt XVI., Der Hl. Ignatius. Bischof von Antiochien, Generalaudienz Mittwoch, 14. März 2007.

[5]Dietrich Bonhoeffer, Gemeinsames Leben. Mit einem Nachwort von Eberhard Bethge, München 161979, 14.

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Versprichst du Ehrfurcht und Gehorsam?