Vater, Vertrauter, Vorbild

Männer verspüren oft eine gewisse Un­sicherheit, wenn es um ihre Rolle als Vater geht. Ihnen möchte der Freiburger Arzt, Hirnforscher, Psychotherapeut und Buchautor Joachim Bauer Mut machen. Ein Interview von Brigitta Hasch zum Vatertag am 11. Juni.

 

Geht es Männern psychisch anders als Frauen, wenn sie Nachwuchs erwarten? Was ist gleich, wo liegen die Unterschiede? 

Joachim Bauer: Die Reaktion von Männern und Frauen gegenüber einem erwarteten Kind ist sehr unterschiedlich. Frauen fühlen sich mit dem Kind von Beginn der Schwangerschaft an verbunden, sie bilden mit dem Kind eine „Einheit in Zweiheit“. Männer spüren, dass sie gegenüber dieser Mutter-Kind-Dyade etwas außerhalb stehen. 

Was ist für Männer die besondere Herausforderung bei der Erziehung? Was können Männer emotional entdecken, wenn sie Vater sind? 

Bauer: Männer befinden sich in einem gewissen Zwiespalt: Einerseits freuen sie sich am Wunder eines im Mutterleib heranwachsenden Kindes und an der dadurch entstehenden besonderen Nähe zu ihrer Partnerin. Andererseits spüren sie, dass das Kind die Situation für sie selbst, für ihre Partnerin und für das gemeinsame Leben grundlegend verändern wird. Die Vertiefung der Bindung zur Frau – und natürlich auch zum Kind – ist für Männer, die eine innere Bindungsangst mit sich herumtragen, eine schwierige Situation.

Die meisten Kinder sind – abgesehen vom ­Vater oder männlichen Verwandten – in den ersten Jahren überwiegend mit Frauen konfrontiert (Krippe, Kindergarten, Volksschule). Wie sehr sind Väter da als männliches Gegengewicht
notwendig und gefragt? 

Bauer: Väter können von Anfang an ganz wichtige Figuren für das Kind sein. In den ersten beiden Lebensjahr können sie nicht nur die Mutter entlasten, sondern auch direkt zärtlichen Kontakt mit dem Säugling aufnehmen und dabei eigene zärtliche Seiten entdecken und zulassen. Wenn dies gelingt, kann sich ein Grundvertrauen zwischen Vater und Säugling aufbauen, das die ganze weitere Kindheit hindurch anhält. Ab dem etwa dritten Lebensjahr können Väter dem Kind helfen, die Welt zu erobern, also mit ihm spielen, Ausflüge machen, mit ihm in die Natur gehen.

Worauf legen Männer in der Erziehung ihrer Kinder besonderen Wert? 

Bauer: Das hängt sehr vom einzelnen Vater und seinem Temperament ab. Im Vergleich zu Müttern, die in der Beziehung vielleicht eher die Verbundenheit zum Kind hervorheben, betonen viele Väter eher Eigenständigkeit des Kindes oder seine Fähigkeiten  zur Autonomie.

Vater sein – eine Vorbildrolle. Nur für Söhne oder auch für Töchter? 

Bauer: Der Vater hat für beide, sowohl für den Sohn als auch für die Tochter, eine eminent wichtige Vorbildrolle. Für den Sohn ist
er das Modell dessen, was der Sohn selbst einmal werden soll. Für die Tochter ist er das Modell für den späteren Freund oder Mann an ihrer Seite, mit dem sie später einmal klarkommen soll. Das können Töchter
nur am eigenen Vater lernen. Wenn der Vater
hier krass versagt, kann das sowohl beim Sohn als auch bei der Tochter zu Entwicklungsschwierigkeiten und zu großen Problemen in der späteren Partnerschaft führen. 

Was können/sollen Eltern/Väter bei ihren Kindern besonders fördern? 

Bauer: Väter haben die Aufgabe, dem Kind liebevoll zu zeigen, dass es im Leben Grenzen gibt, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können und dass man lernen muss, sich ein wenig in den Griff zu bekommen. Wichtig ist, dass dies ohne drakonische Maßnahmen geschieht, sondern liebevoll, aber auch konsequent. Gelingen kann das allerdings nur, wenn sich Vater und Mutter gut miteinander abstimmen und sich nicht gegenseitig in den Rücken fallen.

 

Buchtipp: Joachim Bauer, Selbststeuerung.
Die Wiederentdeckung des freien Willens. 240 Seiten, € 20,60.  Blessing-Verlag 

Papa ist der Beste. Der Balanceakt zwischen liebevoller Zuneigung und Grenzensetzen ist ebenso schwierig wie notwendig für eine gute Vater-Kind-Beziehung. Foto: fotolia//kolinko_tanya