Unsere Hoffnung: Alles geht gut

Claus Hipp ist bekannt als Produzent von Babynahrung mit Rohstoffen aus organisch-biologischem Anbau. Der Unternehmer ist der Überzeugung, dass ein gläubiger Mensch in schwierigen Situationen auf eine zusätzliche Kraft vertrauen kann: das Gebet.

Claus Hipp ist bekannt als Produzent von Babynahrung mit Rohstoffen aus organisch-biologischem Anbau. Der Unternehmer ist der Überzeugung, dass ein gläubiger Mensch in schwierigen Situationen auf eine zusätzliche Kraft vertrauen kann: das Gebet. Das Interview von Markus Langer im Tiroler Sonntag vom 15. Oktober in voller Länge. 

 

Was bedeutet für Sie Schöpfungsverantwortung? Woher kommt die Liebe zur Natur?
Die Liebe zur Natur ist vornehmlich von meiner Mutter gekommen. Sie hat mir von klein auf das schon beigebracht. Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen heißt neben Pflanzen und Tieren auch Verantwortung für die Menschen zu übernehmen. Denn das ist das höchste Geschöpf. Da kommt auch der Gedanke der Nachhaltigkeit herein, dass wir die Welt lebens- und liebenswert für die kommenden Generationen erhalten sollen. 

Im Juni wurde die Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus veröffentlicht? Wie haben Sie die Aussagen aufgenommen?
Grundsätzlich finde ich es gut, was  der Heilige Vater gesagt hat, und unterstütze das auch. Ich hätte mir gewünscht, dass zur grünen Gentechnik ein bisschen mehr kritische Worte gekommen wären. Denn da sehe ich langfristig doch Probleme, wenn die Schöpfung verändert wird in einer Weise, die man nimmer zurückdrehen kann. 

Für Sie ist die grüne Gentechnik keine Lösung, um die Krise der Landwirtschaft zu beenden?
Es ist erwiesen, dass damit eine Abhängigkeit der Landwirtschaft von ein paar wenigen großen und mächtigen Konzernen geschaffen wird. Mit all den technischen Möglichkeiten unserer Zeit wird in Amerika auf einem Hektar so viel erzeugt, dass ein Mensch ernährt werden kann. Im Alten Ägypten hatten mit den Überschwemmungen des Nilschlamms  schon 15 Menschen pro Hektar Nahrung gefunden und bei den Azteken in ihren Wasserkulturen waren es ungefähr genau so viele. Wenn wir im Einklang mit der Schöpfung wirtschaften und das klug machen, dann können wir viele Menschen ernähren. Die grüne Gentechnik ist eine Sackgasse, die uns schlussendlich in größere Probleme führt. 

Papst Franziskus betont immer wieder das Gemeinwohl.
Wenn wir das Gemeinwohl aus dem Auge verlieren und die Einzelinteressen immer mehr in den Vordergrund rücken, dann wird die Forderung stärker, dass die Einzelinteressen auch rechtlich abgesichert werden. Dann kommen wir immer noch mehr in die Überregulierung, die uns heute doch schon sehr viele Probleme bereitet. Wenn wir das Allgemeinwohl im Vordergrund haben, die Verpflichtung den Mitmenschen gegenüber, dann wird sich vieles von selbst regeln. Wir brauchen diese übertriebene Regelung nicht mehr. 

Welche Veränderung braucht es im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, dass alle Menschen gut leben können?
Das Gesellschaftssystem als solches ist in Ordnung. Wir müssen nur dran denken, dass wir uns anständig benehmen, wie ein ehrbarer Kaufmann sich benimmt. Da ist in der Vergangenheit vieles passiert, was dem nicht entspricht. Was uns positiv stimmen muss, ist die Einstellung der heutigen Jugend. Junge Leute heute denken ganz anders darüber als die frühere Generation. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der anständige Umgang auch wieder mehr geschätzt wird und Zukunft hat. 

Warum ist die soziale Marktwirtschaft die beste Wirtschaftsordnung?
Soziale Marktwirtschaft ist die beste Wirtschaftsordnung, weil hier das natürliche Bestreben des Menschen, mehr zu erreichen, ermöglicht, nicht gebremst wird, es aber durch die sozialen Gedanken und den Wettbewerb in Schranken verwiesen wird. Ohne Wettbewerb wird es nicht funktionieren, weil dann der Anreiz wegfällt, besser zu werden, und ohne soziale Komponente wird es zur Ausbeuterei werden. Das ist nicht im Sinne der christlich-sozialen Marktwirtschaft. 

Sie sagen: Die Regeln für das Leben in der Gemeinschaft sind die Zehn Gebote. Welche Bedeutung haben die Kardinaltugenden für Sie?
In den Zehn Geboten ist alles geregelt, auf eine kurze Form gebracht, und alles, was dann an Regelungen kommt, ist eigentlich nur ein Kommentar oder eine Ausschmückung. Die Kardinaltugenden geben uns Anhalt, uns richtig zu verhalten: die Klugheit, das rechte Gewissen zu haben und auch danach zu handeln. Wissen allein wird nicht ausreichen. Bei der Gerechtigkeit müssen wir sehr wohl unterscheiden zwischen dem, was legal und legitim ist: Legitim sind Dinge, die den göttlichen Gesetzen, Naturgesetzen entsprechen. Legal ist halt nur, was in irgendwelchen Gesetzen festgeschrieben ist. Die Tapferkeit: Niederlagen einzustecken gehört zum täglichen Leben. Der Tapfere steht wieder auf, er traut sich auch seine Meinung frei zu äußern. Dann haben wir noch die Maßhaltung: Jeder soll sich freuen an den Dingen, die er sich kaufen kann. Aber manches wird angestrebt, um in seinem Umfeld mehr darzustellen, als einer in Wirklichkeit ist. Das ist nicht nötig. Es ist schon sehr befreiend, sich von Statussymbolen unabhängig zu machen. 

Sie bekennen sich öffentlich zum Glauben. Was bedeutet er für Sie persönlich? Hatten Sie nie Zweifel?
Ich habe nie Zweifel am Glauben gehabt. Glauben heißt, etwas für wahr halten, was man nicht sieht, also davon überzeugt sein. Glauben heißt auch demütig sein und für einen selber sagen: „Das soll für mich gelten!“ Es ist ein Akt des Willens. Wenn einer sagt, ich kann nicht glauben, dann sagt er etwas Falsches. Er will vielleicht nicht glauben. Glauben ist eine sehr gerechte Sache, denn der Hochgebildete hat nicht mehr Chancen zu glauben als einer, der weniger studiert hat. Schlussendlich soll man beim Glauben wie die Kinder werden. 

Sie zitieren öfters Platon: „Ein Staatswesen, das nicht Gott in den Mittelpunkt stellt, ist zum Untergang verurteilt.“ Haben Religion und Gott noch Platz in unserer Gesellschaft?
Auf jeden Fall. Es gibt ja vieles gerade im wirtschaftlichen Bereich, dass wir bei aller Vorsicht, bei aller Fürsorge nicht bis zu hundert Prozent kontrollieren können. Wenn ich bete, dann habe ich die Hoffnung, dass es gut geht. Wer das nicht hat, der hat einfach weniger und wird unruhiger werden als einer, der diese Hoffnung hat. 

Vor einigen Jahren haben Sie geschrieben, dass man keine Angst vor dem Islam haben brauche. Wie sehen Sie das heute?
Der Islam ist auch gottgläubig. Wir haben natürlich Extremformen, vor denen wir uns schon sehr in Acht nehmen müssen. Aber wenn wir nach Nordirland schauen, da haben wir zwei christliche Bekenntnisse, die sich bis aufs Blut bekriegen. Es ist dies nicht eine Sache, die es nur in einer Religion gibt. Das Grundprinzip eines gottgläubigen Menschen wird immer anders sein als das eines Atheisten. 

Zuwanderung und Integration sind in diesen Tagen die großen Themen. Wie viele Zuwanderer verträgt Deutschland?
Wir müssen einmal sehen, dass wir einen ganz starken Geburtenrückgang haben. Ohne Zuwanderung wird die westliche Welt ganz schön Probleme bekommen, weil die Renten der jungen Leute heute dann nicht mehr verdient werden. Also rein von der wirtschaftlichen Seite her kann es nur wünschenswert sein, dass junge Menschen zuwandern und mithelfen, dass alles weiter funktioniert. Traurig für die Heimatländer ist, dass diesen viele gute Mitbürger verloren gehen. Wir sollten uns schon mit aller Kraft, die wir haben, dafür einsetzen, dass es grundsätzlich Menschen möglich ist, in ihrer Heimat zu bleiben. Wir müssen helfen, soweit wir helfen können. Mit gutem Willen werden wir das Problem sicher lösen können. 

Die Förderung der Familie mit Kindern ist Ihnen wichtig. Sie sprechen sich auch für ein Familienwahlrecht aus. Was heißt das?
Ein Wahlrecht für die Kinder, das durch die Eltern ausgeübt wird, ist sicher gerecht. Kinder können auch erben und haben viele andere Rechte. Warum sollen die Interessen der Kinder nicht auch entsprechend im Staat vertreten sein? Das fände ich eine sehr vernünftige Sache, weil dann die Politiker auch die Stimmen der Kinder mitberücksichtigen müssen. 

Was tun Sie in Ihrem Unternehmen?
Wir bemühen uns natürlich, Mütter mit Kindern durch verschiedene Arbeitszeiten zu helfen. Mütter können, wenn sie bei uns vormittags arbeiten und die Kinder in der Schule sind, mittags das Essen mit nachhause nehmen, sodass sie nicht einkaufen und kochen müssen. Das sind viele Erleichterungen. Wir arbeiten daran – da haben wir noch keine Lösung –  auch eine Art Aufgabenbetreuung anzubieten, weil viele Mütter wegen den Hausaufgaben zuhause sein müssen. Vielleicht können wir das irgendwie organisieren. Wir helfen natürlich auch Müttern, die kurz nach der Geburt aus irgendeinem Grund wieder arbeiten müssen.  Aber das sollte nicht das Normale sein. Normal ist, dass die Kinder betreut zuhause aufwachsen können. Gerade im ersten Lebensjahr haben die Kinder nur eine Bezugsperson, das ist der Regel ein Elternteil. Hier Druck zu erzeugen, dass die Mütter möglichst früh wieder in die Arbeit gehen, das ist sicher nicht im Interesse eines Staates. 

Sie legen große Hoffnung in die Jugend. Sie sprechen davon, dass praxisorientierte Ausbildung zu wenig ist.
Wenn wir unsere Lehrpläne anschauen sind, dann sind mit Fachwissen sehr überfrachtet und das in einer Zeit, in der wir das Wissen elektronisch abgespeichert und für jeden zugänglich haben. Wir wissen von den Gehirnforschern, dass gerade musische Ausbildung Teile des Gehirns trainiert und ausbildet, die sonst brachliegen. Wir sollten den Forderungen, immer nur reines Fachwissen zu vermitteln, entgegentreten und hier breiter wieder in der Ausbildung sein. Nach dem Prinzip von Heinrich Pestalozzi - Haupt, Hand und Herz - müssen schon alle drei Säulen der Bildung wiedererstarken. „Haupt“ ist natürlich das Fachwissen. Lesen, Rechnen, Schreiben und ein bisschen mehr muss schon sein. „Hand“ das ist sicher alles, was mit Kreativität zu tun hat, alles Schöpferische. Wir brauchen Menschen, die Lösungen finden in der Zukunft, die wissen, wie es weitergeht. „Herz“ ist die Ausbildung der Fähigkeiten, dass wir anständig miteinander umgehen können. 

 

Zur Person 

Professor Dr. Claus Hipp ist 1938 als zweites von sieben Kindern in München geboren. Er ist verheiratet, hat fünf Kinder sowie zwölf Enkelkinder.

Claus Hipp studierte Jus. Schon während des Studiums wurde er mit der Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebs betraut, den er ganz auf ökologischen Landbau umstellte. Nach dem Tod des Vaters übernahm er mit 29 Jahren die väterliche Firma und baute die ökologische Idee seiner Eltern mehr und mehr aus. Unter seiner Führung entwickelte sich HiPP Babynahrung zu einer der bekanntesten Marken Deutschlands und zum Symbol für eine Wirtschaftsweise, die von ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit geprägt ist.

Neben seinem Engagement als Unternehmer ist Claus Hipp auch auf andere Weise vielfältig aktiv: Er absolvierte bis 1970 eine künstlerische Ausbildung und ist seitdem auch als freischaffender Künstler tätig. Viele seiner Werke sind heute international ausgestellt. Im georgischen Tbilisi unterrichtet er an der Staatlichen Kunstakademie Malerei, Masterstudienteilnehmer in Bühnenmalerei und an der Staatlichen Universität Betriebswirtschaft. Zudem spielt Hipp seit vielen Jahren im Münchner Behördenorchester Oboe.

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