Propheten für die Echtheit

Der Jugend- und Jungscharseelsorger Wolfgang Meixner erzählt , im Interview, wonach junge Menschen suchen. Und er berichtet von einer Initiative für junge Menschen, die aus der Jungschargruppe herausgewachsen sind.

Der Jugend- und Jungscharseelsorger Wolfgang Meixner erzählt
im Interview, wonach junge Menschen suchen. Und er berichtet von einer Initiative für junge Menschen, die aus der Jungschargruppe herausgewachsen sind.
  

Sie arbeiten vor allem mit Jugendlichen und Kindern. Brauchen die eine andere Form von Kirche?
Wolfgang Meixner: Nein. Jugendliche brauchen grundsätzlich nichts anderes, als jeder Mensch braucht: Das Gefühl, der oder die mag mich, ich bin etwas wert, ich bin angenommen. Und das Gefühl, ich werde gebraucht, ich kann mich einbringen, ich werde ernst genommen. Aber Jugendliche brauchen eine andere Sprache, andere Ausdrucksformen. Viele Jugendliche sind heute weit weg von dem, was für uns noch kirchliche Normalität ist. 

Was meinen Sie damit?
Wolfgang Meixner: Ob ich ein normales Hemd anhabe oder ein Hemd mit Colar, das ist für mich noch ein Thema – für Jugendliche nicht. Oder nehmen wir die jährliche Lehrlingswallfahrt nach Maria Waldrast. Für viele Jugendliche ist es schon ungewohnt, in eine Kirche hineinzugehen. Die Jugendlichen sind unsere Rituale nicht mehr gewohnt. Oft sind sie schon so weit weg, dass man ganz neu anfangen muss. Aber die Jugendlichen sind auch offen dafür. Sie haben oft einen unverbauten Zugang und wollen auch etwas ausprobieren. 

Wie sprechen Sie junge Menschen an?
Wolfgang Meixner: So wie jeden Menschen: Ich knüpfe bei dem an, was sein Leben ausmacht. Bei den Lehrlingen predige ich über die Arbeitsplatzsicherheit. Oder wenn der Staat den Kündigungsschutz für Lehrlinge aufweicht, das ist ein Thema für sie und das ist dann auch ein Thema im Gottesdienst. Man muss die Lebensthemen mit den Jugendlichen gemeinsam zur Sprache bringen. 

Die Katholische Jugend hat das Projekt „jugend:reich“ gestartet, um neue Jugendgruppen zu initiieren. Kann das heute noch funktionieren?
Wolfgang Meixner: Die Jugendarbeit der vergangen Jahrzehnte hat sich sehr stark an Projekten orientiert. Man war der Meinung, dass sich junge Menschen nicht binden wollen, aber sich kurzfristig engagieren. Daraus sind die „72 Stunden ohne Kompromiss“ entstanden, die „Nacht der 1000 Lichter“, die „Aktion Verzicht“. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Projekte häufig von Jugendgruppen leben, von denen sie getragen werden. Uns schwebt eine Kombination von kontinuierlichen Jugendgruppen und Projekten vor. Es braucht ein niederschwelliges Angebot und ein breit gestreutes Dienstleistungsangebot, aber es braucht auch die lebendigen Zellen. 

Ein Schritt hin zu mehr Verbindlichkeit?
Wolfgang Meixner: Jugendliche müssen auch lernen, sich irgendwo anzubinden. Das wird allerdings heute aufgrund der gesellschaftlichen Umstände immer schwieriger. Natürlich bleibt stets die Frage, ob sie sich binden lassen. Aber es geht auch darum, ob ich diese Bindung überhaupt einfordere und ihnen zutraue. Von der Verbindlichkeit leben wir ja auch als Kirche und als Gesellschaft, dass ich nicht nur da bin, wenn es mir passt, sondern auch, wenn es mich einmal nicht freut. Sonst würde es kein einziges Dorffest geben.
Ich muss aber auch sagen, dass wir die Initiative nicht starten, um eine möglichst tolle Zahl herauszubringen. Es ist schön, wenn viele Gruppen entstehen, aber das ist nicht das Ziel. Und, das muss man auch sagen, es geht nicht in erster Linie darum, dass die Jugendlichen dann am Sonntag wieder in die Kirche gehen. 

Bei welcher Altersgruppe setzt die Initiative an?
Bis zur Firmung ist man bei der Jungschar, geht vielleicht ministrieren. Dann kommen noch die Firmvorbereitung und die Firmung und dann gibt es kein Angebot mehr. Da möchten wir ansetzen und sagen, es soll auch danach etwas geben. Die Rückmeldungen darauf sind insgesamt sehr positiv. 

Man spricht oft von der „prophetischen Jugend“. Was können wir von jungen Menschen lernen?
Da müsste man die Jugendlichen selber fragen. Wenn ich in die Schulen gehe, merke ich, dass junge Menschen ganz sensibel dafür sind, ob jemand authentisch ist. Darin sind Jugendliche für mich ganz starke Propheten. Man sagt oft, dass die Jugend die „Zukunft der Kirche“ sei. Das ist ein schöner Satz, aber wir leben in der Gegenwart. Jugend ist nicht deshalb wichtig, weil sie irgendwann einmal Entscheidungsträger sind. Sie sind jetzt wichtig. Jugendliche reagieren allergisch darauf, wenn sie das Gefühl haben, das ist eine Show. Das ist die große Kunst bei allem, was wir den Jugendlichen anbieten: Dass wir es ihnen nicht aufdrücken, sondern dass wir sie ernst nehmen. Was esdaher braucht, sind authentische Zeugen. Es braucht Erwachsene, die ehrlich, offen, greifbar und nachvollziehbar Glauben vorleben. Der Jugendliche glaubt nicht, dass du selbst keine Fragen hast. Eher Umgekehrt: es ist für sie befreiend, wenn man seine Fragen zulassen kann. 

In manchen Pfarren ist die Ratlosigkeit über das Ausbleiben der Jugendlichen groß.
Man muss sicher realistisch bleiben. Es ist ja so, dass Jugendliche „wegbrechen“. Aber wir haben doch eine Frohbotschaft zu verkünden. Wir haben das beste Angebot und müssen das nicht einmal verkaufen. Ich kann sitzen bleiben und resignieren oder ich kann schauen, wo die Jugendlichen sind und zu ihnen hingehen. Jesus ist ja auch herumgezogen und auf die Menschen zugegangen. 

Das Interview führte Walter Hölbling. 

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Tiroler Sonntag - Interview