Nichts für Feiglinge

Der Buchautor Stephan Sigg (Schweiz) begleitet die Jugendsynode in Rom mit einer Serie von Beiträgen über Glaubensfragen und Glaubensthemen Menschen. Teil 2

Ein Foto vom Abendessen. Klick. Ein Selfie im Freibad. Klick. Ein Bild von ihrem Bett. Klick. Nichts, aber schon gar nichts ist für Jenny (17) zu privat, um es nicht online mit der ganzen Welt zu teilen. Nur zu einem Thema würde sie online nie etwas veröffentlichen: Ihr Glaube ist tabu. Da würde sie vorher noch eher ihre größten Peinlichkeiten preisgeben. Wie ist das bei dir? Wie leicht fällt es dir, mit anderen über den Glauben zu sprechen? Für so etwas fehlt vielen heute der Mut. Zu groß die Angst, schräge Blicke zu ernten, belächelt zu werden und als fromm oder altmodisch abgestempelt zu werden. „Kirche? Das ist doch nur etwas für alte Menschen!“, hört man oft von Jugendlichen. Und diese öden und oft unverständlichen Gottesdienste – wer tut sich so etwas freiwillig an? 

Hast du schon mal darauf geachtet, wie Menschen reagieren, wenn man Fragen zu ihrem Glauben stellt? Man löst fast das Gleiche aus, wie wenn beim Fußball ein Spieler einem anderen den Haken stellt. Viele sind gleich total verunsichert und wissen nicht wie reagieren. Das liegt nicht nur daran, dass das Thema so privat ist. Es hat auch damit zu tun, dass Glauben und Religion einen mit unbequemen Fragen konfrontieren: Was ist im Leben wirklich wichtig? Was passiert nach dem Tod? Warum gibt es mich? Und was war, bevor die Welt entstanden ist? Das ist doch ziemlich faszinierend: Obwohl die Wissenschaftler heute so viel über die Welt, die Natur und den Menschen wissen und die Technik so vieles möglich macht, haben sie auf all diese Fragen noch immer keine Antwort gefunden. 

Fragen stellen. Glauben ist nichts für Feiglinge. Bist du mutig, dich mit den ganz großen Fragen auseinanderzusetzen? Hast du genügend Vertrauen und auch Geduld? Denn auch wer sich sehr für Gott interessiert und von Jesus beeindruckt ist, für den ist nicht gleich alles klar und für ihn alle Probleme aus der Welt geschafft. Aber damit du jetzt keine kalten Füße bekommst: An Gott zu glauben, bedeutet nicht, dass du an der Kirche alles toll finden musst und gar keine Zweifel mehr erlaubt sind. Fragen zu haben und auch Zweifel zulassen zu können, gehört zum christlichen Glauben dazu. Und auch, Kritik und Wünsche gegenüber der Kirche zu äußern. Die Gemeinschaft der Christen ist jetzt zweitausend Jahre alt und hat sich immer wieder verändert. Deshalb braucht die Kirche dringend auch Menschen wie dich – Leute, die mitanpacken, dass die Kirche ein Ort wird, an dem sich alle wohlfühlen. Hast du schon mit anderen darüber gesprochen, was du für Ideen dafür hast? 

Dass sich viele so schwertun, über ihren Glauben und auch ihre Glaubensfragen zu sprechen, das ist übrigens nicht überall so. Hast du schon mal mit Jugendlichen, die aus anderen Ländern und Kulturen stammen, über Religion gesprochen? Vielleicht hast du auch da schräge Blicke geerntet. Diese finden es nämlich total merkwürdig, dass es in Europa Menschen gibt, die an gar keinen Gott glauben.

Stephan Sigg, Theologe und Buchautor aus der Schweiz