Leisacher Widum wird zur Herberge für Flüchtlinge

Der Widum in Leisach wurde zu einer warmen Herberge für Menschen auf der Flucht umgestaltet. Maria Radziwon hat mit den Menschen gesprochen, die das möglich gemacht haben.

Es ist ein kalter Wintervormittag. Im Widum der Osttiroler Pfarre Leisach sind viele Menschen versammelt. Am „Tag der offenen Tür“ steht das Haus offen für alle, die wissen wollen, wie der Widum zu einer warmen Herberge für Menschen auf der Flucht umgestaltet worden ist. Pfarrmitglieder hatten sich zusammengetan und jeder nach seinen Möglichkeiten geholfen, die viele Jahre leer stehenden Räumlichkeiten vorzubereiten. Jetzt im Advent ist alles fertig, sodass die Tür für Herbergsuchende weit offen steht.

von Maria Radziwon 

„Lange Zeit haben wir nicht recht gewusst, ob es möglich ist. Aber wir wollten es einfach schaffen.“ Peter Zanon blickt mit Freude auf das, was in wenigen Wochen in Leisach entstanden ist. Den Anstoß zu diesem Projekt hat er gegeben: „Eigentlich war es zuerst meine Frau Klaudia, die gesagt hat: Jetzt kannst du aktiv werden. Ich bin dann zum Pfarrer gefahren und hab mit ihm geredet. Ich meine, angesichts der vielen Tragödien … da muss man doch was tun.“ Pfarrer Bernhard Kranebitter ist sofort dabei, auch wenn er ahnt, dass es nicht einfach werden würde.„Man wird von A nach B verbunden … aber man telefoniert und fragt sich durch. Wenn so viele zusammenhelfen wie hier in Leisach, wird vieles möglich.“ Auch der Zustand des Hauses ist unklar: Funktioniert die Heizung noch? Wie ist der Zustand der Wasserleitungen? Lassen sich auftretende Mängel ohne größeren Aufwand beheben? Eine „Steuerungsgruppe“ wird eingesetzt und rund 20 Personen arbeiten dann ganz konkret – im Hintergrund oder auch direkt beim Umbau mit. „Transparenz war von Anfang an wichtig“, erzählt Peter Zanon. Anfang Oktober fand eine Informationsveranstaltung in Leisach statt, bei der von allen Seiten Unterstützung signalisiert wurde. „Die Menschen haben viele Fragen gestellt, es war ein großer Ernst bei der Sache.“

Michael Gasser und Josef Schmidhofer sind zwei von denen, die mit vollem Körpereinsatz mitgearbeitet haben. „Der Michael war unser Handwerkerchef“, schmunzelt Josef Schmidhofer. Die beiden Männer haben gemeinsam mit anderen Pfarrmitgliedern die Zimmer im alten Widum so umgestaltet, dass sie von einer größeren Familie bewohnt werden können. Böden wurden erneuert, Wände gestrichen, Fliesen erneuert, Leitungen verlegt, Lampen aufgehängt und Möbel zusammengebaut.

Pfarrer Bernhard Kranebitter bewegt, wie viel Herz die Menschen in diese Arbeit gelegt haben: „Da haben alle angepackt. Und zum Schluss haben Frauen die Vorhänge gerichtet, die Bettwäsche und alles hergerichtet, falls ein Baby dabei sein sollte. Als wäre es für ihre eigenen Kinder und Enkel.“ Dieser Gedanke ist bei allen spürbar: Es soll ein Zuhause sein hier im Widum, ein Ort, an dem man sich gerne aufhält. Josef Schmidhofer führt mit Freude durch die Zimmer: helle Räume, Teppiche, frisch bezogene Betten … Es ist spürbar, dass man sich freut, dass hier bald Menschen wohnen sollen. „Die Bevölkerung hat fest mitgehofen, Geld, aber auch Möbel gespendet. Jemand hat uns sogar einen Bügeltisch vorbeigebracht und ein Bügeleisen! Wir haben es in aller Einfachheit halt so gerichtet, wie wir es selber gern hätten.“

„Ich kann so gut nachfühlen“ 

In der künftigen Küche der Bewohner des Widums von Leisach sitzen Interessierte bei Kaffee und Kuchen. Was sie dazu sagen, dass hier bald Menschen auf der Flucht wohnen werden? „Wir haben in Lienz schon mitgeholfen, Hilfs-Lkws zu beladen und haben sehr schöne Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht. Leider herrscht bei vielen eine negative Stimmung. Ich glaub, es täte vielen gut, sich selber ein Bild zu machen.“ Anita und Walter Mascher freuen sich, dass in der Heimatpfarre die Nächstenliebe ganz konkret spürbar wird – so wie Notburga Jaufer-deSoler: „Wenn man Mauern aufzieht, geht es beiden Seiten schlecht: den Menschen auf der Seite davor, aber auch denen dahinter.“ Die fröhliche Dame wird mit einem Mal still und erzählt, wie sie als Mädchen in das ihr völlig fremde Osttirol kam: „Auch wenn ich nicht auf der Flucht war damals – ich musste doch alles zurücklassen, das mir wichtig war. Ich kann das so gut nachfühlen, wie es Menschen geht, die alles Vertraute zurücklassen müssen.“

Ein besonderer Advent 

Auch zwei syrische Männer haben beim Umbau des Widums mitgeholfen, der Elektriker Anas und der Jurist Mahammad. Inmitten der Leisacher freuen sie sich über das herzliche Miteinander. Der unmittelbare Kontakt von Osttirolern und Flüchtlingen tut gut. Sigrun Heidenberger, zuständig für Kommunikation in der „Steuerungsgruppe“ freut sich: „Es ist wichtig, dass jeder einen
kleinen Beitrag leisten kann“. Auch Pfarrer Bernhard Kranebitter ist dankbar: „Ich hätte schwer von der Herbergssuche predigen können, wenn bei uns das Widum leer steht.“ Es ist eine Zeit der Erwartung konkreter Veränderungen: Bald schon soll das Widum Herberge sein für eine große Familie. Alles ist bereit. 

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