Hinschauen ist das beste Mittel gegen Armut

In Tirol wird über eine Verschärfung des Bettelverbotes diskutiert. Caritasdirektor Georg Schärmer hat sich in der Debatte zu Wort gemeldet.

„Arme Menschen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu vertreiben löst nichts. Das beste Mittel, Armut sinnvoll zu bekämpfen ist hinzusehen“. Mit diesen Worten nimmt Caritasdirektor Georg Schärmer zur aktuellen Diskussion rund um eine Verschärfung des Bettelverbotes Stellung. Mindestens so aggressiv wie die Bettler seien das populistische Betteln politischer Gruppierungen um Wählerstimmen oder die Konsum- und Überflussgesellschaft, die Kindern und Jugendlichen jeden Euro aus der Tasche ziehen will, betont Schärmer.
Nicht verbieten. „Ich verstehe, dass Menschen sich durch aggressives Betteln gestört fühlen“, so Schärmer. Die Gesetzeslage verbiete bereits jetzt aggressives und organisiertes Betteln. „Generell zu verbieten, dass ein Mensch einen anderen um eine milde Gabe bittet, halte ich nicht für einen kulturellen Fortschritt“, so Schärmer. Als Caritasdirektor bezeichne er sich selbst oft als Bettler und könne deshalb gar nicht gegen das Betteln sein.
Handreichung. In der Jesuitenkirche in Innsbruck wird demnächst ein Flyer mit hilfreichen Hinweise für den Umgang mit bettelnden Menschen aufliegen. 

 

Der Text des Folders: 

Menschen dürfen betteln. Es ist ein Menschenrecht. Bettelnde Menschen „stören“, weil sie Armut sichtbar werden lassen, die in unserer Gesellschaft sonst verdeckt bleibt. Wie auch immer ich auf eine Bettelanfrage reagiere, es entsteht eine Beziehung zwischen demjenigen, der fragt, und mir. Meistens weckt ein Bettler meine Emotionen, in welcher Weise auch immer.
Schön ist es, wenn ich in dem anderen die Person entdecken kann, dann ist er für mich nicht nur ein „Fall von Bedürftigkeit“, sondern ein Mensch. Im Evangelium lädt Jesus sogar dazu ein, im armen Menschen ihn selbst zu erkennen (vgl. Mt 25,35). 

 

Wie kann ich auf bettelnde Menschen verantwortlich reagieren? Die folgenden Hinweise können eine Hilfe sein: 

Versuchen Sie, im anderen den Menschen zu sehen – unabhängig davon, ob Sie etwas geben oder nicht und wie der andere auf Sie wirkt.

Manchmal ist es für den Betroffenen schon eine Erleichterung, wenn er jemandem seine Geschichte erzählen kann.

Hören Sie zu, wenn es Ihre Zeit erlaubt. Zugleich dürfen Sie die nötige emotionale Distanz wahren.

Sie allein entscheiden, ob und wie Sie helfen wollen.

Lassen Sie sich nicht durch flehentliche Appelle oder dramatische Schilderungen unter Druck setzen, einen bestimmten Betrag zu spenden.

Ohne schlechtes Gewissen dürfen Sie auch Nein sagen.

Nicht alles brauchen Sie sich gefallen zu lassen – wenn beispielsweise der andere beleidigend wird oder sich aggressiv zeigt, brechen Sie das Gespräch ab.

Die Unsicherheit, ob eine Hilfe wirklich sinnvoll ist, lässt sich nie ganz ausräumen. Letztlich dürfen Sie Ihr Herz sprechen lassen.

fotolia__halfpoint_web_1.jpg
Tiroler Sonntag - Aktuell