Feiertage sind Weltkulturerbe

Der Mensch braucht Ruhetage, an denen möglichst alle Räder still stehen und man sich auf den Sinn des Lebens besinnt. Gedanken vom Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen zur Bedeutung des Feiertages in unserer Gesellschaft.

Mitte August feiert die katholische Kirche rund um den Globus das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Erstaunlich viele Länder Europas und Amerikas haben am 15.August sogar einen staatlichen Feiertag. Es sind Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Kroatien, Slovenien, Polen, Ungarn, Slowakei, Malta, Liechtenstein, Portugal, Schottland sowie auch in Kanada und einigen amerikanischen Staaten wie Lousiana oder New York. In Deutschland gibt es in einigen katholischen Bundesländern und Regionen einen staatlichen Feiertag. Auch in der Schweiz haben einige Kantone frei, ähnlich in Irland und Spanien. Voll gearbeitet wird hingegen in orthodoxen, anglikanischen sowie protestanischen Ländern wie Skandinavien, in den Niederlanden, in England, Russland und in der tschechischen Republik. Millionen Menschen können sich also am 15. August eines freien Sommertages erfreuen. Ich vermute, dass die allermeisten von ihnen keine Ahnung hatten, worum es dabei ging, warum sie frei haben.
Was soll man angesichts einer solchen Situation sagen: Sollte die Kirche aus Ehrlichkeit dem Staat vorschlagen, den Feiertag abzuschaffen – jedenfalls von Seiten der Kirche? Sollte der Staat vielleicht lieber das folgende Wochenende verlängern, sodass die Arbeit für drei aufeinander folgende Tage ruht? Das wäre rationaler. Oder den Feiertag ganz abschaffen, da die Jahresarbeitszeit ohnehin zu kurz ist. Sollte die katholische Kirche umgekehrt ihren Schäflein ins Gewissen reden und sagen: wenn ihr am 15. August nicht in die Messe kommt, begeht ihr eine schwere Sünde. Ihr riskiert die Hölle. Viele Kirchenkritiker meinen ja, die katholische Kirche sei unehrlich, denn sie beharre auf Rechten und Traditionen, obwohl sie wisse, dass das Fest längst ausgehöhlt sei, dass 90 Prozent aller Katholiken überhaupt nicht wüssten, worum es bei dem Fest überhaupt geht. Was soll die Kirche tun: Resignieren, das Fest aufgeben, für die Messe trommeln, ein schlechtes Gewissen einreden? Das Fest Mariae Aufnahme in den Himmel ist nur ein spezieller Fall eines Problems. Die Kirche könnte ja dem Staat auch empfehlen: gib den Sonntag auf, denn kaum ein Getaufter weiß, dass es sich um den Tag der Auferstehung Christi handelt. Sie könnte dem Staat empfehlen: streichen wir Weihnachten, den ersten und den zweiten Feiertag, streichen wir den ersten und den zweiten Oster- und Pfingsttag. Denn nur ein Bruchteil der Getauften kommt zum Gottesdienst. Wenn die Kirche dies täte, würde sie ein Kulturgut aufgeben. Sie würde ein Weltkulturerbe streichen. Denn die kirchlichen, die christlichen Feiertage sind Weltkulturerbe. Kommunisten und andere Ideologien haben bereits vergeblich versucht, eine 10-Tagewoche einzuführen und religiöse Feiertage zu streichen. Wenn dies gelänge, würde die Weltkultur etwas verlieren. Der Mensch braucht Feiertage, Ruhetage, Besinnungstage – und zwar gemeinschaftliche, an denen man sich auf den Sinn des Lebens besinnt und an dem möglichst alle Räder still stehen. Und was machen wir mit tausenden von herrlichen Kirchen, die an die Aufnahme Mariens in den Himmel erinnern. Sollen wir sie abreißen? Was machen wir mit der neu erbauten Frauenkirche in Dresden. Machen wir einen Konzertsaal daraus
Nein, behalten wir christliches Kulturgut, und versuchen wir den Nachwachsenden zu sagen, was es bedeutet: Maria Aufnahme in den Himmel bedeutet: wir alle dürfen auf ein herrliches Leben nach dem Tode hoffen. Maria ist uns nur vorausgegangen. Wir alle sind aufgefordert die Feiertage zu erhalten, zu fördern, zu pflegen und im religiösen Sinn zu begehen. Der Sonntag und der Feiertag ist ein hohes Gut, deren Preisgabe der ganzen Gesellschaft schweren Schaden zufügen würde. Feiertage sind eine wichtige Präsenz des Glaubens und der Kirche in der Öffentlichkeit und wir alle sollten einmal nachdenken, warum wir sie eigentlich haben und sollten sie wieder neu entdecken, pflegen und schätzen lernen. 

Der Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen war lange Zeit Leiter der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan. 

Feiertage sind Weltkulturerbe