Familiensynode zwischen Lehre und Leben

Konkrete Lösungen will Papst Franziskus von der Weltbischofssynode zu Ehe und Familie, die am Sonntag im Vatikan beginnt. Worum gehts? Redakteur Heinz Niederleitner versucht, auf wichtige Fragen zur Synode Antworten zu geben.

Konkrete Lösungen will Papst Franziskus von der Weltbischofssynode zu Ehe und Familie, die am Sonntag im Vatikan beginnt. Es geht unter anderem um den Umgang mit Familiensituationen, die in Spannung zur kirchlichen Lehre stehen – und um viele andere Herausforderungen, denen Familien gegenüberstehen. Die Kirchenzeitung versucht, auf wichtige Fragen zur Synode Antworten zu geben. 

Worum geht es bei der Sitzung der Weltbischofssynode von 4. bis 25. Oktober in Rom?
Der Titel lautet etwas sperrig: „Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“. Konkret geht es darum, dass Familien heute vor neuen Herausforderungen stehen. Gleichzeitig klaffen die kirchliche Lehre zum Thema Ehe, Familie und Sexualität einerseits und die gelebte Praxis vieler Katholiken eklatant auseinander. Vor diesem Hintergrund geht es auch darum, ob die Kirche ihre Lehre in bestimmten Punkten ändern kann – und wie. Auch von reformorientierten Synodenteilnehmern wird dabei eher von Ergänzung oder Erweiterung der Lehre gesprochen. 

Um welche Herausforderungen geht es konkret?
Das ist sehr vielfältig: Diskutiert werden zum Beispiel die Auswirkungen der modernen Arbeitswelt auf die Familien (weniger Zeit für Kinder, starker ökonomischer Druck), Fragen der Armut, ganz aktuell auch der Migration und Flucht oder (zum Beispiel in Bezug auf Afrika), wie das Bild der christlichen Ehe in andere Kulturen integrierbar ist. Zwei Punkte werden insbesondere in Europa, aber auch in Nord- und Südamerika stark beachtet: Der Umgang mit dem Scheitern von Ehen und staatlicher Wiederverheiratung sowie mit homosexuellen Partnerschaften. Das ist kein Wunder: In diesen Punkten ist die Kluft zwischen kirchlicher Lehre und den Vorstellungen auch vieler Katholiken besonders tief. Umfragen zeigen, dass in vielen Staaten eine überwiegende Mehrheit der Katholiken für die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten ist. Und beim Thema Homosexualität haben selbst im lange katholisch geprägten Irland sich heuer bei einem staatlichen Referendum 62 Prozent für eine gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen. In Staaten, wo dies nicht der Fall ist, gibt es oft wie in Österreich die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft für homosexuelle Paare. Dies alles wirft auch Fragen für die Kirche auf. 

Was ist in diesen beiden Punkten zu erwarten?
Zweifellos werden sich manche Wünsche nicht erfüllen: Es werde keine sakramentale zweite Ehe geben, betonte zum Beispiel der Münchner Kardinal und Papstberater Reinhard Marx. Die Forderung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken nach kirchlichem Segen für homosexuelle Paare (keine Ehe!) wurde von den deutschen Bischöfen scharf zurückgewiesen. Bei der Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion gehen können, stehen sich Befürworter und Gegner teilweise sehr konfrontativ gegenüber. Der Reformgegner Kardinal Raymond Burke warnte jüngst vor einem „teuflischen Angriff“ auf die Ehe auch aus katholischen Kreisen. Und der Reformbefürworter Kardinal Walter Kasper sprach jüngst davon, er sei der „bevorzugte Prügelknabe der anderen Richtung“. 

Was sind jenseits solcher Worte die Argumente?
Die Reformbefürworter argumentieren zum Beispiel damit, dass die Sakramente Hilfestellungen für Menschen und keine Belohnung für richtiges Verhalten sind. Sie sehen es auch als einen Akt christlicher Barmherzigkeit an, Menschen nicht auf ewig von der Kommunion auszuschließen. Die Gegner der Reform sagen, dass eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion die auf Jesus zurückgehende Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe in Frage stellt. An der Unauflöslichkeit der Ehe wird sich – trotz der Hinweise auf anderslautende ostkirchliche Praktiken – auch bei der Synode wohl nichts ändern. 

Gibt es Ansätze, die Kluft zwischen kirchlichen Idealen und gelebter Realität zu schließen?
Ja, wobei der möglicherweise erfolgversprechendste Vorschlag aus Österreich kommt: Kardinal Christoph Schönborn hat bei der ersten Familiensynode 2014 auf das Prinzip der Gradualität verwiesen. Dazu erinnerte er zunächst an eine Argumentation des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dort hatte es geheißen, die Kirche Christi sei in der katholischen Kirche verwirklicht. Das schließe aber nicht aus, dass auch außerhalb „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit“ zu finden seien. Entsprechend wird nun argumentiert, dass auch in Beziehungen, die nicht dem kirchlichen Ideal von Ehe und Familie entsprechen, Gutes und Richtiges zu finden und zu würdigen ist: im Zusammenleben ohne Trauschein, bei staatlicher Wiederverheiratung, ja auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Aufgabe der Kirche ist es, Menschen an das Ideal heranzuführen. 

Warum gibt es eigentlich eine zweite Familien­synode nach jener 2014?
Die Synode 2014, die zudem nur eine außerordentliche Sitzung war, diente zunächst der genauen Analyse des Themas. Konkrete Lösungen sollen heuer gefunden werden.
Kann die Synode die kirchliche Lehre überhaupt ändern?
Nein, denn anders als ein Konzil hat die Bischofssynode nur beratende Funktion. Da kein Konzil zu erwarten ist, liegt jede Ergänzung oder Erweiterung der kirchliche Lehre letztlich in der Hand des Papstes. Konkret bedeutet das, dass es ein vom Papst freigegebenes Abschlussdokument der Synode geben wird. Manche Beobachter meinen, dass es Entscheidungen des Papstes erst nach der Synode geben wird. 

Wer nimmt nun an der Synode 2015 teil?
Die Liste der Synodenteilnehmer umfasst rund 400 Personen. Darunter sind 280 eigentliche Synodenmitglieder: Das sind Bischöfe aus aller Welt, höhere Ordensvertreter sowie praktisch alle Leiter römischer Dikasterien (Kurienbehörden). Anders als bei der außerordentlichen Synode 2014, wo die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vertreten sind, wurden die offiziellen Delegierten der Bischofskonferenzen heuer von diesen intern gewählt. Zudem können größere Bischofskonferenzen auch mehr Delegierte entsenden. Aus Österreich nimmt Bischof Benno Elbs als Delegierter teil, Kardinal Schönborn als Mitglied des Synodalrates. Zudem hat der Papst selbst Bischöfe eingeladen. Tendenziell sahen Beobachter hier eine Bevorzugung reformorienterter Bischöfe, obwohl der Papst auch prononcierte Reformgegner geladen hat. Nur die eigentlichen Synodenmitglieder haben ein Stimmrecht. Unter den 120 anderen Synodenteilnehmer/innen sind zum Beispiel 23 theologische Expert/innen, 51 Beobachter (darunter 17 Ehepaare) sowie 17 Einzelpersonen, davon 13 Frauen. Zu den Gästen aus der Ökumene gehört auch der dritte Vertreter aus Österreich, der Wiener serbisch-orthodoxe Metropolit Andrej Cilerdžic. 

Wie ist die Synode organisiert? Wer ist besonders einflussreich?
Präsident ist der Papst. Als Generalsekretär koordiniert Kardinal Lorenzo Baldisseri die Versammlung. Zum General-Berichterstatter und einflussreichen Verantwortlichen für die Synodentexte ist wie bei der Synode 2014 der ungarische Kardinal Peter Erdö bestimmt worden, dem als Sondersekretär der italienische Erzbischof Bruno Forte zuarbeitet. 

Gibt es auch einen spirituellen Akzent?
An sich wird von vielen Teilnehmern die Synode selbst als spirituelle Veranstaltung bezeichnet – im Vertrauen, dass der Heilige Geist darin wirksam wird. Ähnlich wie bei einer Papstwahl gibt es auch kirchenpolitische Interessen, die hier aufeinandertreffen. Als besonderer Akzent wird am 18. Oktober das Ehepaar Louis und Zélie Martin heiliggesprochen. Es sind die Eltern der heiligen Thérèse von Lisieux. 

fotolia_drubig_photo.jpg
Tiroler Sonntag - Aktuell