"Der Brunnen" im Einkaufszentrum: 6.700 Besucher machten Halt

Große Einkaufszentren werden oft als „Konsumtempel“ bezeichnet. Dabei geht es dort nicht nur ums Einkaufen. Das zeigt „der Brunnen“ im Einkaufszentrum dez in Innsbruck. Hier kann man abladen, statt kaufen. Und bekommt doch einiges mit.

Vor 17 Jahren hat das Gesprächszentrum mitten im Einkaufszentrum seine Tore geöffnet. Seither sind Geschäfte eröffnet und wieder geschlossen worden, vieles hat sich geändert. Der Brunnen ist geblieben. „Hier können Menschen von sich erzählen und ihre Sorgen abladen und jemand hört ihnen zu, wo gibt es das heute noch?“, sagt der Leiter des Brunnen, Mag. Gebhard Ringler. 

Lebensfragen. Rund 6.700 Besucherinnen und Besucher verzeichnet die Statistik des Brunnen im Jahr 2018. Und es werden jedes Jahr mehr. Sie erzählen von ihren alltäglichen Sorgen, fragen nach dem Woher und Wohin in ihrem Leben, berichten von psychischen Belastungen und Beziehungsproblemen. „Viele, die bei uns vorbeischauen, haben schwere Rucksäcke zu schleppen“, findet Ringler ein Bild für die Anliegen der Menschen. 

Zuhören. Auf 40 ehrenamtlich arbeitende Frauen und Männer ist das Team des Brunnen mittlerweile angewachsen. Ihre Aufgabe sehen sie vor allem darin, zuzuhören, die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen und nicht zu werten oder zu verurteilen. „Das richtet die Menschen wieder auf“, weiß Ringler, „man sieht das allein schon an der veränderten Körperhaltung, wenn sie den Brunnen wieder verlassen.“ Rund 30 Minuten dauert durchschnittlich ein Gespräch im Brunnen. Manche kommen einfach vorbei, viele vereinbaren einen Zeitpunkt, kommen auch öfter. Ein Raum der Stille lädt ein, der Hektik des Alltags zu entfliehen. 

An die Zukunft denken. 17 Jahre Brunnen sind auch eine Einladung, in die Zukunft zu blicken: „Wir stellen uns die selben Fragen wie die Geschäftsleute im dez“, sagt Ringler: „Geben wir uns mit der Stammkundschaft zufrieden oder wollen wir neue Gruppen ansprechen?“ Da sind zum Beispiel die jungen Menschen, die vermehrt ins Einkaufszentrum kommen. Oder die rund 1.200 Bediensteten im dez. „Vor 17 Jahren war ich ein Exot“, erinnert sich Ringler an die Frühzeit des Brunnen. Heute würden diözesane Zukunftspapiere genau von jener Innovation sprechen, die der Brunnen von Beginn an vorlebt. „Kirche anders erlebbar machen, als man es gewohnt ist und im säkularen Umfeld präsent sein“. Der Brunnen leistet darin Pionierarbeit, mietfrei zur Verfügung gestellt von den Betreibern des dez. Auch das ein Zeichen, dass die Arbeit wertgeschätzt wird.  

Dieser Beitrag erschien im Tiroler Sonntag Nr. 41 vom 10. Oktober 2019

Gebhard Ringler leitet als Seelsorger ein Team von 40 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich der Anliegen von Menschen annehmen, die im Brunnen vorbeischauen. Foto: Sigl