Dem Leben eine gute Basis geben

Die Einführung der Neuen Mittelschule, Fälle von sexuellem Missbrauch auch in kirchlichen Bildungseinrichtungen und wirtschaftlich härtere Zeiten: Hat das Auswirkungen auf die katholischen Privatschulen? Der TIROLER SONNTAG sprach darüber mit Prof. P...

Die Einführung der Neuen Mittelschule, Fälle von sexuellem Missbrauch auch in kirchlichen Bildungseinrichtungen und wirtschaftlich härtere Zeiten: Hat das Auswirkungen auf die katholischen Privatschulen? Der TIROLER SONNTAG sprach darüber mit Prof. Peter Paul Steinringer, dem Direktor des Wirtschaftskundlichen Realgymnasiums der Ursulinen. 

 

TIROLER SONNTAG: Wie gehts den Katholischen Privatschulen?
Steinringer: Die Konkurrenz sowohl der Neuen Mittelschule als auch im Innsbrucker Raum die Ausweitung des Angebotes an Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) hat schon Einfluss auf die katholischen Privatschulen (KPS), weil in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten für manche Familien das Schulgeld ein Thema geworden ist, stärker als es früher war. Eine Schule, die Schulgeld verlangt, steht dadurch vermehrt auf dem Prüfstand. 

Hatten die sexuellen Missbrauchsfälle Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der katholischen Privatschulen?
Steinringer: In der großen Phase der öffentlichen Erregung über die Missbrauchsfälle im Frühjahr 2010 haben wir kaum Rückmeldungen von Eltern und Schülerinnen gehabt. Es wird schon unterschieden zwischen der konkreten Arbeit in der Schule und dem, was vor 30, 40 Jahren war. Ob der Vertrauensverlust in die Kirche insgesamt eine Auswirkung hat, lässt sich im Moment noch nicht feststellen. Ich hoffe, dass es nicht so ist.  
Als Schule in kirchlicher Trägerschaft muss man einfach schauen, eine gute verlässliche Schule zu machen: von den Umgangsformen und vom Verhältnis Nähe und Distanz zwischen Lehrpersonen und Schülerinnen. 

Früher hatte die Kirche quasi ein Schulmonopol inne. Heute sind katholische Privatschulen eine Ergänzung zum öffentlichen Schulsystem. Wie können sie sich in dieser Konkurrenz behaupten? Was motiviert Eltern, ihre Kinder einer katholischen Schule anzuvertrauen?
Steinringer: Das katholische Schulwesen hat über Jahrzehnte oder wie bei den Ursulinen über Jahrhunderte Chancen zur Bildung gegeben. Es hat sowohl die regionale wie auch die soziale Benachteiligung relativiert bzw. aufgehoben. Ich selber bin da ein Beispiel: Als Osttiroler Bergbauernkind bin ich im Paulinum in die Schule gegangen. Das war im Wesentlichen meine Lebenschance. Katholische Privatschulen waren führend in der Nachmittagsbetreuung. Die anderen Schulen haben vor vier, fünf Jahren nachgezogen. Insofern müssten wir auch jetzt einen Schritt weiter sein.
Die derzeit so oft angesprochene Individualisierung wird in katholischen Privatschulen schon lange praktiziert. Eltern, die Kinder in solche Schulen schicken, erwarten, dass dort die Persönlichkeit des einzelnen mehr respektiert und individuell gefördert wird. Die SchülerInnen hoffen auf eine Beheimatung. Beheimaten, beschützen, behüten ist eine große Herausforderung. Beschützen oft auch mit dem irrealen Wunsch die „böse Welt“ wegzulassen. Und da liegen die Chancen im Weltbild. Reden über Werterziehung bleibt Theorie, wenn das die alltägliche Praxis des Miteinanderlebens nicht widerspiegelt. 

Wie geht der soziale Auftrag der Kirche, für Arme da zu sein – im Schulbereich für bildungsferne Milieus –, mit der Tatsache zusammen, dass katholische Schulen als „elitär“ gelten, weil man Schulgeld bezahlen muss?
Steinringer: Wir werden gezielt von Eltern gesucht, die eine besondere Unterstützung im Ermöglichen einer besseren Ausbildung ihres Kindes erwarten. Das sind oft Migranten der zweiten und dritten Generation und das sind bei uns durch das Tagesheim vor allem Alleinerziehende. Das Schulgeld ist für diesen Personenkreis dann kein Thema, wenn sie den Eindruck haben, dass diese Schule weiterhilft. Dann sind sie auch gern bereit das Schulgeld zu bezahlen.
Abgesehen davon ist das Schulgeld in den Tiroler katholischen Privatschulen moderat im Vergleich zu Wien: Bei uns liegt es bei rund 100 Euro im Monat, in Wien dagegen bei 300 bis 400 Euro (jeweils zehnmal im Jahr).Damit ist die soziale Selektion dort noch einmal höher. Bei uns entspricht der Preis etwa dem eines Kindergartenplatzes. 

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